Wie soll Weißenfels heißen? Weißenfels diskutiert über neuen Beinamen: Wenn, dann Barockstadt! - sagt ein Heimathistoriker

Weißenfels - Der MZ-Artikel über einen möglichen neuen Zusatznamen für Weißenfels hat zahlreiche Leserreaktionen hervorgerufen. Darunter
ist auch diese ausführliche Zuschrift von Heimathistoriker Otto Klein.
Unter einem schönen Foto mit dem barocken Stadtschloss und der Überschrift „Weißenfels – und wie weiter?“ wurden für die Suche nach einem Beinamen für die Stadt, einige Vorschläge unterbreitet. Bei allem Respekt vor der publizistischen Leistung, die genannten Vorschläge wie Schuhstadt oder Sportstadt scheinen in ihrer Bedeutung und Zugkraft für eine „Marketing-Werbung“ zu wenig gewichtet und zu kurz gesprungen.
Weißenfels war einst politisches und administratives Zentrum des Landes
Weißenfels war von 1657 bis 1747 die Residenz eines Nebenherzogtums, ein politisches und administratives Zentrum des Landes mit nachhaltiger wirtschaftlicher, geistig-kultureller und städtebaulicher Ausstrahlung. Das von 1660 bis 1694 als Herrschaftszentrum erbaute Residenzschloss ist auch heute noch ein weithin sichtbares Wahrzeichen unserer Stadt.
Durch den erforderlichen Zuzug höfischer Beamter und städtischer Gewerbetreibender hatte sich die Bevölkerungszahl enorm erhöht. Viele Handwerker der Stadt erhielten vom Herzogshof Aufträge oder wurden als Hofhandwerker privilegiert. Die bessere Kaufkraft führte dazu, dass die bis dahin recht arme und eher ländlich geprägte Stadt Weißenfels sich auch städtebaulich sichtbar veränderte.
Ganze Straßenzüge wurden im barocken Stil erbaut
Die Wohnhäuser ganzer Straßenzüge wurden vergrößert und bekamen ein zeitgemäßes barockes Aussehen. Einige der schönsten Barock-Gebäude künden noch aus dieser Zeit: Erinnert sei an das Rathaus und die Kavaliers- und Diakonatshäuser in der Marienstraße oder die drei fürstlichen Stadthäuser Leipziger Straße 9 bis 13.
Damals entstanden auch die Häuser Markt 2 bis 11 beziehungsweise wurden im Stil der Zeit überformt. Zahlreiche Gebäude in der Großen Burg-, der Nikolai-, der Jüdenstraße und in anderen Straßen der Stadt, darunter auch das Novalishaus mit Gartenpavillon in der Klosterstraße gehörten dazu. Leider wurden sehr viele barocke Bürgerhäuser zu DDR-Zeiten und nach der Wende abgerissen, die das barocke Antlitz der Stadt repräsentiert hatten.
Auch das Augusteum und die Hofkultur in Weißenfels hatten Strahlkraft
Erinnert sei auch an das 1664 von Herzog August im St. Klarenkloster gegründete Gymnasium illustre Augusteum, eine akademische Halbuniversität und Stätte der Wissenschaften. Hier wurden sowohl die junge Elite des Herzogtums als auch auswärtige Studenten von namhaften Gelehrten auf ein Studium an einer Volluniversität und als Hofbeamte vorbereitet.
Eine hohe Ausstrahlung hatte die Hofkultur, in Sonderheit das Theater und die hier gepflegte deutsche Hofoper, die mit so klangvollen Namen wie Johann Philipp Krieger, Johann Sebastian Bach, Georg Philipp Telemann oder Erdmann Neumeister eng verbunden ist. Die hohe Musikalität des kleinen Georg Friedrich Händel wurde an der Weißenfelser Hoforgel entdeckt und durch Herzog Johann Adolph I. gefördert.
Auch das altersspäte Musikschaffen von Heinrich Schütz in seinem Wohnhaus Nikolaistraße 13 gehört in diese barocke Zeit, auch wenn er kein Amt am Herzogshof innehatte.
Das Kulturerbe aus der Barockzeit sollte sich auch im Namen Weißenfels' zeigen
Großartige Schriftsteller wie Johann Beer, August Bohse (Talander), Christian Friedrich Hunold (Menantes), Christian Weise oder Johannes Riemer, um nur einige zu nennen, setzten in literarische Impulse über die Stadt hinaus. Der leider sträflich vernachlässigte Schlossgarten mit seinem Lustgarten gehörte einst zu den Leuchttürmen der Gartenkunst in der Region.
Diese hier nur angedeutete materielle und immaterielle Kultur der Barockzeit ist doch fester Bestandteil des kulturellen Erbes unserer Stadt und geht in seiner Bedeutung weit über Begrifflichkeiten wie Schuh- oder Sportstadt hinaus. Daher mein Vorschlag: mit Weißenfels als Barockstadt oder wenigstens Residenzstadt zu werben. (mz)
