Weißenfels Weißenfels: Cellist Sonny Thet spielt auf seiner Geliebten

weissenfels/MZ - Sie ist 123 Jahre alt, er zählt gerade mal 58. Beide sind sie unzertrennlich - und das seit 43 Jahren. Sonny Thet und seine Geliebte. Er nennt sie nicht das, sondern d i e Cello. Manchmal sei seine Frau - die Chefsekretärin - eifersüchtig, wenn er den Bogen überspanne und nur sie streiche und zupfe. „Aber mindestens drei Stunden muss ich meine Cello in die Arme nehmen und üben, um im Spiel immer schön locker zu bleiben. Musik ist wie Leistungssport“, sagt der kleine schmächtige Mann und lächelt. Musik sei keine Arbeit, sie entspanne. Und Cellisten seien Melancholiker und sehr glückliche Menschen.
Der Berliner Solokünstler folgte am Donnerstagabend einer Einladung des Vereins Simon-Rau-Zentrum nach Weißenfels. Der aus Kambodscha stammende Magier sphärischer Klänge und sein schönes altes Instrument verzaubern im Weißenfelser Marienkirchhof ihr Publikum.
Stück für Genießer
Kerzenlicht brennt in urigen Laternen, Sonnenblumen und gelbe Rosen leuchten um die Wette und bringen den lauschigen Sommerabend, der plötzlich gar nicht mehr nach Regen aussieht, zum Strahlen. Es gibt Wein, roter und weißer funkelt in den Gläsern. Am meisten strahlen die Organisatoren Uta und Dieter Bernecker und ihre Mitstreiter des Vereins. Denn fast 50 Zuhörer füllen den kleinen Hof und sind gespannt auf die Veranstaltung unter dem Motto „Ich will leben - Musik und Bekenntnisse zum Leben“. Unter ihnen Margrit und Siegfried Kluge aus Zeitz. Sie genießen jedes Stück von Bach bis Bayon, das Königskind Sonny Thet in intelligentem Pop-Rock mit klassischen Stilelementen als Symbiose zelebriert, während Uta Bernecker moderiert und rezitiert, aus dem Buch von Reinhard Schramm „Emma Murr - Ich will leben“ - in Erinnerung an seine jüdische Familiengeschichte in Weißenfels. Dass der Cellist den Beinamen Königskind trägt, hat Sonny Thet Prinz Sihanouk zu verdanken. Er schickte den damals 15-jährigen Sohn eines am Königshof angesehenen Geigers von Kambodscha nach Weimar, wo er Musik und Cello studierte. Aus dem ehrgeizigen Plan des Monarchen, der Weimar und Goethe liebte, in der Heimat nach europäischem Vorbild ein Orchester zu gründen, wurde nichts. Zusammen mit Studenten gründete Thet, der mit seiner Frau in Berlin-Pankow lebt und zwei erwachsene Söhne hat, die Gruppe Bayon. Sie machte in der DDR Anfang der 1970er Jahre schon Weltmusik, als es das Wort noch gar nicht gab.
Ob es ein neues Projekt mit der Band gibt, die den Namen einer Gottheit mit vier Gesichtern trägt, die in alle Himmelsrichtungen schauen? „Im nächsten Jahr mit Christoph Theusner, der als Gitarrist in Weimar geblieben ist“, lässt der Mann mit den glänzenden dunklen Augen und der randlosen Brille durchblicken. Sein kleines Orchester in Form eines Effekt-Boards hat er immer dabei und begleitet sich damit selbst. So werden durch den Mann „an der Cello“ musikalische Klangwelten erlebbar.
Fans fühlen sich an Bayon-Zeiten erinnert - „sein Glück“. „Wäre ich zurück nach Kambodscha gegangen, würde ich vielleicht - wie viele meiner Verwandten und Freunde nicht mehr leben. Pol Pot und danach die maoistischen Roten Khmer ließen sie ermorden“, sagt Sonny Thet. Als bekennender Bach-, Stones- und Clapton-Verehrer gastiert der gelernte Weltbürger deutschlandweit und international auf Theater- und Konzertbühnen - unter anderem in Cottbus mit Erwin Strittmatters „Laden“.