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Vom Gefängnis direkt in den Westen

Von KARIN GROSSMANN 16.10.2009, 17:16

WEISSENFELS/MZ. - "Ganz andere Erfahrungen hat damals der Lobitzscher Bodo Walther zum Thema Republikflucht gemacht", begrüßt Schmager den Rechtsanwalt zu seinem Vortrag "Freigekauft". Er soll über ein spannendes Stück deutscher Geschichte aus eigenem Erleben berichten.

Walther hält den Gästen aber keinen strengen Vortrag. Er liest vor und beantwortet Fragen. Er hat aufgeschrieben, was er bei seiner missglückten Republikflucht, zwei folgenden Gefängnisaufenthalten, dem Freikauf durch die Bundesrepublik und dem Wechsel in den Westen erlebt hat. "Vielleicht wird aus meinen Erzählungen mal eine Buch", sagt er. Er habe noch einiges aufzuschreiben, auch 20 Jahre nach der Wende.

Bodo Walther, geboren 1960 in Weißenfels, wollte als 19-Jähriger über die ungarische Grenze in den West flüchten. Ganz allein suchte er den Weg in die Freiheit. Bei einer Bekannten aus dem Ort hatte es über diesen Weg zuvor geklappt. Er wurde geschnappt und von den Ungarn an die DDR überstellt. "Mit dem Flugzeug", erinnert er sich. Untersuchungshaft im berüchtigten "Roten Ochsen" in Halle. Der Prozess brachte ihn 20 Monate ins Gefängnis. In Brandenburg saß er die ab mit Mördern. Er liest einen ersten Text darüber. Er spricht von Gesprächen mit dem leitenden Staatsanwalt damals, einem klugen Mann, wie er sagt, dem er nach der Wende wieder begegnete, immer noch als Rechtspfleger.

Entlassen aus der Haft und zurück in Weißenfels wurde er wieder eingesperrt. "Wegen landesverräterischer Agententätigkeit", sagt er: "Ich soll Informationen über ein Verfahren gegen Freunde in den Westen weitergeleitet haben." Neun Monate dauerte die Untersuchungshaft, weil er das nicht bestätigte. Schließlich wartete er im Cottbuser Gefängnis, freigekauft zu werden. Bereits zu dieser Zeit habe er sich entschlossen, Jura zu studieren. "Ich will das mal besser machen", habe er sich vorgenommen und meinte den Umgang mit dem Rechtssystem. Ostern 1985 sei er freigekauft und mit dem Bus nach Gießen gebracht worden. Die Busreise hat er aufgeschrieben.

Zehn Jahre später ist er in den Osten zurückgekehrt. Erst nach Leipzig, dann nach Halle, schließlich in den Heimatort Lobitzsch. Beamter war er, zuletzt als Verwaltungsleiter in der Verwaltungsgemeinschaft Saaletal. Seit vergangenem Jahr arbeitet er als Rechtsanwalt, hat sein Büro zu Hause.

Es sind nicht sehr viele Besucher zu seinem Vortrag gekommen. Ein Schulkamerad von früher ist dabei. Den hatte er schon beim Klassentreffen vor 15 Jahren wieder getroffen. "Damals haben sie mich animiert, dass ich meine Geschichten aufschreiben soll", sagt Walther.

Er berichtet aber auch von einer Zeugenaussage, die der Rechtsstaat 1997 von ihm bei Androhung von Beugehaft verlangt hat. Dass während seiner Haftzeit in der Justizvollzugsanstalt eine Gefangene misshandelt wurde, habe er der Erfassungsstelle mitgeteilt. 13 Jahre später hatte er vor Gericht zu erscheinen. Angeklagt war wegen Körperverletzung aber nur einer der drei Beteiligten. Walther hat eine Menge zu erzählen, kann Erlebtes spannend aufschreiben.