Vom Drahtesel zum Jetta
Lützen/MZ. - Er sieht sich als einer der Kleinen, Wolfgang Mieth, der nur noch wenige Tage Chef des Autohauses Quesitz ist. Aber er kommt nicht mehr mit dem Fahrrad zur Arbeit wie vor 50 Jahren, sondern mit einem VW-Jetta. Schließlich handelt er heute mit VW und Audi. Der 65-Jährige scheut sich nicht zuzugeben, dass er noch nicht viel in der Welt herumgekommen ist. "Jetzt erfülle ich mir meinen Traum und reise nach Kanada", nennt er eines seiner ersten Vorhaben im Ruhestand. Aber auch in den Norden Deutschlands und in seinen Garten zieht es ihn.
"Mir ist wichtig, dass es die Firma in 20 Jahren noch gibt", setzt er den Schwerpunkt für die bevorstehende Übergabe des Unternehmens an seinen Sohn Björn Mieth (39). Das Autohaus bringe 34 Menschen direkt in Lohn und Brot und verbinde die Region zwischen Weißenfels und Leipzig durch Arbeitsplätze, Kunden und Sponsoring.
Als einer, der täglich die Landesgrenze passiert, hofft er darauf, dass die derzeit noch trennende Linie eines Tages wegfällt.
Mit 14 Jahren ist der Räpitzer Lützener geworden. Nach der Kfz-Lehre in der Werkstatt Dornblut in Lützen hat er noch Abendschulen besucht, um nacheinander 10. Klasse-, Meister- und Abitur-Abschluss zu erwerben. Während der 18 Monate Armeezeit konnte er auch den Autos treu bleiben. Die Familiengründung und die Geburt seiner drei Jungen hat ihn ebenso nicht aufhalten können, beruflich vorwärts zu kommen - höchstens den Kauf des ersten Trabis verzögert. Im Fernstudium hat er sich noch zum Diplomingenieur des Kfz-Faches qualifiziert.
So nennt sich Wolfgang Mieth auch schon mal "Mädchen für alles" im Quesitzer Autohaus, in dem er seit 42 Jahren arbeitet. Werkstatt und Büros sind ihm vertraut. Ihm haben 140 Mitglieder der Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) zur Wendezeit das Vertrauen ausgesprochen, den Betrieb weiterzuführen. Mit 14 Mitarbeitern hat er sich 1991 den neuen Bedingungen als Vertragshändler für VW und Audi gestellt. Mehrfache Auszeichnungen bei Wettbewerben um Kundenzufriedenheit und Werkstattqualität innerhalb des Konzerns sprechen heute vom Erfolg.
Auch deswegen gibt Wolfgang Mieth jetzt guten Gewissens den Betrieb in die Hände seines Jüngsten, den er systematisch in die neuen Aufgaben eingearbeitet habe. "Ich mache nun wahr, was ich vor fünf Jahren das erste Mal ausgesprochen habe, ich gehe mit 65 in den Ruhestand", sagt er.
Dass sich zu den Geburtstags- und Übergabefeierlichkeiten Bürgermeister aus Sachsen- und Sachsen-Anhalt angesagt haben, spricht vom Einsatz des Autohauses auch für die Region. Schon in Tonnen kann zum Beispiel der Martzschparkverein das Futter wiegen, das er auf der zum Autohaus gehörenden Feldfläche in Quesitz pachtfrei produziert.