Ungewisse Zukunft Ungewisse Zukunft: Streit ums Geld für Wohnprojekt von Behinderten

Weissenfels - Die Betreuer der Integra als Träger der Behindertenhilfe wissen kaum noch weiter. Für die drei schwerbehinderten Menschen, die in einer Wohngemeinschaft in der Promenade in Weißenfels zusammenleben, reicht das Geld hinten und vorne nicht. Noch immer ist unklar, wer für die drei behinderten Menschen bezahlt.
Annelie Herrmann ist die Mutter von Robert Herrmann (26), eines der Mitglieder der Wohngemeinschaft. Eine dauerhafte Unterbringung im Heim sei für ihren Sohn keine Lebensperspektive. Auf eine selbst organisierte ambulant betreute Wohngemeinschaft für hilfe- und pflegebedürftige Menschen, wie sie in anderen Bundesländern schon praktiziert werde, fiel ihre Wahl. Doch damit begann für sie ein Kampf, in dem sie die Integra an ihrer Seite hat. Aber die Sozialagentur des Landes, für die das Sozialamt des Burgenlandkreises hat sie gegen sich, meint die engagierte Mutter. Denn das Geld, das Robert für die Grundsicherung für Wohnen und Leben erhält, für die Fördergruppe und für Pflege reicht vorn und hinten nicht, um die Leistungen zu bezahlen, die die Integra und der Pflegedienst nun für ihn erbringen, um ein weitgehend von der Mutter unabhängiges Leben zu führen. Die Begleichung von mehr als 100 000 Euro gegenüber der Integra steht mittlerweile aus.
Agentur wehrt Finanzierungsmodelle ab
Denn die Sozialagentur des Landes wehrt jegliche Finanzierungsmodelle ab, die Annelie Herrmann mit ihrem Rechtsbeistand und auch die Integra selbst vorschlagen. Ursprünglich sollte das Persönliche Budget genutzt werden, um die zusätzlichen Dienstleistungen zu bezahlen. Denn dessen Höhe soll sich, wie es der Name schon sagt, am persönlichen Hilfebedarf messen. Doch selbst vor dem Sozialgericht ist Annelie Herrmann damit gescheitert. Die Klage wurde abgewiesen, weil Robert nicht selbst als Arbeitgeber auftrete, heißt es in der Begründung. Für die Inanspruchnahme des sogenannte Arbeitgeberassistenzmodell sah das Gericht in Roberts Fall keine Möglichkeit.
Welchen Weg zur Finanzierung es aber geben könnte, haben bisher weder Gericht noch Sozialagentur aufgezeigt. Ja, Robert werden maximale Betreuung, Förderung und Pflege zuerkannt, aber das Komplettpaket gibt es bei einer Heimunterbringung ja viel günstiger. Die Sozialagentur ignoriere, dass mit der Aufhebung eines Erlasses im vergangenen Jahr die gewählte Wohnform für Menschen wie Robert jetzt auch einräumt werde, sagt Integra-Chef Ralf Müller.
Zudem sei die ambulante Betreuung vor eine stationäre zu stellen. Dazu müssten aber auch Finanzierungsmöglichkeiten für das „ambulant betreute Wohnen mit erhöhtem Hilfebedarf“, wie Müller die Wohnform nennt, geschaffen werden. Das sei eine ganz prinzipielle Frage, die auch von der Landesregierung geklärt werden müsse. Wer neues Recht schafft, muss dafür auch das Geld einplanen, so sieht es Müller.
Keine Gespräche, keine Lösung
Das Schlimmste an der Situation: „Bis jetzt sind wir mit der Sozialagentur nicht zu einem Gespräch gekommen. Wir finanzieren hier vor und kommen zu keiner Lösung. Wir werden den Streit aber auch nicht auf dem Rücken der Behinderten austragen“, versichert Müller. Und das obwohl der Integra nicht nur an dieser Stelle das Geld in ihrem Haushalt fehlt, mit dem sie gerechnet hat. Pflegesätze müssen neu verhandelt werden, die Tariferhöhungen für die Beschäftigten Berücksichtigung finden.
„Wir brauchen eine Lösung“, sagt Müller und hofft für die Wohngemeinschaft auf einen Gesprächstermin mit der Sozialagentur noch in diesem Monat. Jedenfalls mit 12,48 Euro täglich, die das Sozialamt nach einer Bedarfsermittlung zugesteht, ist die Wohnform, selbst bei einer Optimierung nicht zu finanzieren. Da käme ein Stundensatz für die Betreuer der Integra von 60 Cent heraus.
In der Wohngemeinschaft leben neben Robert Herrmann noch Barbara Adler (54) und Anne Herda (28). Nach ihrer Arbeit in der Fördergruppe haben sie bei der Integra eine Lebensform gefunden, die sie trotz ihrer körperlichen und geistigen Einschränkungen teilhaben lässt an der Gesellschaft. „So stell’ ich mir die Zukunft für Robert vor, wenn er auf meine Unterstützung irgendwann nicht mehr rechnen kann“, sagt Annelie Herrmann. (mz)