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Thermoskannen-Haus ohne Heizung

Von PETRA WOZNY 18.01.2009, 17:11

WEISSENFELS/MZ. - Sonnabend früh zehn Uhr: En halbes Dutzend Neugierige steht auf langsam dahinschmelzendem Schnee und interessiert sich für warmen Wohnraum. Während bei Minusgraden die Kälte in Fingern und Füßen zwickt, lädt Martin Neumann, Vorstandsvorsitzender der Weißenfelser Wohnungsgenossenschaft, in der Marienstraße zum Stadtgang im Rahmen des Energiefestes des Burgenlandkreises ein. Der Ort wurde nicht von ungefähr gewählt, stehen hier doch sieben Häuser, die gänzlich ohne Öl- oder Gasheizung auskommen. Es funktioniert. Alle Häuser sind vermietet.

Gleiche Zeit, gleicher Ort, aber im Haus bei Familie Klopp. Die sitzt im gemütlich warmen Wohnzimmer beim Frühstück - kurzärmlig. Während dort der Kaffee duftet, die beiden Katzen auf der Holztreppe schnurren und die Teelichte Behaglichkeit verbreiten, erklärt draußen Neumann geduldig das etwas andere Prinzip der Erwärmung der Räume.

"Unser Anliegen im vergangenen Jahr war, zukunftssicher zu bauen", schildert er. Darum habe sich das Unternehmen für die Errichtung sogenannter Passivhäuser mit reiner Luftheizung in der Innenstadt entschieden. Die Beheizung gleiche einer Thermoskanne, erklärt Ulrich Geppert vom Planungsbüro. Das gesamte Haus ist aus Holz. Die Wandstärke beträgt 48 Zentimeter. Dazwischen wurde eine Dämmschicht aus Zellulose geblasen. Um eine ebensolche Dämmung mit Ziegeln zu erreichen, hätten die Bauleute eine etwa einen Meter dicke Wand errichten müssen. Im Haus zirkuliert die Zu- und Abluft im Gegenstromprinzip an einem Wärmetauscher vorbei, der sich unter dem Dach befindet. Diese Luft-Heizungsanlage garantiert, dass nur 15 Prozent der sonst üblichen Menge an Energie zugeheizt werden muss.

"Die Mieter sparen etwa Dreiviertel der Heizkosten", so Neumann. Auch bei minus 20 Grad, wie sie erst jüngst gemessen wurden, wollen die Interessenten wissen. "Wir sind eigentlich froh, dass wir gleich im ersten Jahr diesen Härtetest erlebt haben", sagt Geppert und fügt erleichtert hinzu: "Hier ist wirklich alles dicht, das hat sich in den vergangenen Kältewochen gezeigt. Die gute Dämmung und Luftheizung wird ergänzt durch vierfach verglaste Fensterscheiben. "

Mandy Kloß, die gemeinsam mit Enrico Rost und Töchterchen ebenfalls in der Marienstraße ein solches Energiesparhaus bezogen hat, ist unzufrieden. "Wir haben uns für den Umzug entschieden, weil wir auch ans Energiesparen denken. Aber hier setzen wir nur zu. Unsere Stromkosten durch zusätzliches Heizen sind enorm gestiegen." Im Badezimmer sind gerade einmal 18 Grad, weshalb Mandy Kloß einen Ölradiator aufgestellt hat. Die Luftheizung ist auf 20 Grad eingestellt, kann aber manuell erhöht werden. Der Effekt: Der Stromverbrauch steigt.

Martin Neumann von der Wohnungsbaugenossenschaft sind die Sorgen bekannt. Zukünftig sollen die Mieter im Umgang mit dem noch wenig bekannten Heizungssystem noch besser geschult werden. "Die Philosophie der zirkulierenden Luft muss wirklich erst einmal verstanden werden", meint er. Dazu gehöre auch das Wissen über das richtige Belüften der Zimmer und die unterschiedliche "Beheizung" der Zimmer. Natürlich müsse auch die Wohlfühltemperatur des Menschen beachtet werden, die bei jedem anders ausfalle.

Die liegt bei Familie Klopp, die Nachbarn von Mandy Kloß sind, bei 22 Grad. Thomas und Jannine Klopp sowie die Kinder Alexandra und Christian sind vor acht Wochen in das Haus gezogen, erzählen sie während des Frühstücks. "Wir haben uns erst einmal mit der Technik vertraut gemacht und Erfahrungen gesammelt. Jetzt klappt es bestens. Wir bezahlen nicht mehr, als in unserer Altbauwohnung", schildert Thomas Klopp. "Und haben alles viel schöner", ergänzt seine Frau und die 15 und 18 Jahre alten Kinder strahlen. Zu einer Heizung, um die man sich in den Zimmer nicht kümmern muss, kommen ein Garten, Terrasse, Balkon und zwei Badezimmer.