Tapetenwechsel in Krisen-Zeiten Tapetenwechsel in Krisen-Zeiten: Vor welchen Problemen eine Familie beim Umzug steht

Weissenfels - Im Kinderzimmer stapeln sich die Kartons. Sie sind sorgfältig sortiert und beschriftet. In drei Wochen will Désirée Müller mit ihrer Tochter und ihrem Lebensgefährten von Gerstewitz nach Gröben in ein Haus mit Garten umziehen. Doch das erweist sich nun als Herkulesaufgabe für die Familie. Grund ist das Kontaktverbot aufgrund des Corona-Virus.
„Wir hätten den Umzug normalerweise mit vielen Helfern aus Freundes- und Familienkreis gewuppt“, sagt Müller. Nun steht sie mit ihrem Mann allein vor dem Unterfangen. Schränke, Betten, Kühlschrank, Waschmaschine - all das muss von A nach B transportiert werden. Hinzu kommt die Betreuung der dreijährigen Tochter, die in dieser Zeit gesichert sein will. Wie sie das zu zweit stemmen wollen? „Natürlich haben wir daran gedacht, eine Umzugsfirma zu engagieren“, so die junge Mutter. „Doch finanziell können wir uns das momentan nicht leisten.“
Kostenfaktor: Kein Ansturm bei Umzugs
Denn aufgrund des Coronavirus fehlen der Inhaberin der Fahrzeugaufbereitung „Powerclean Autokosmetik“ die Einnahmen. „Die Grundpfeiler unserer Kundschaft bilden Autohäuser. Doch die sind derzeit geschlossen.“ Die staatlichen Soforthilfen für Unternehmer hat sie zwar beantragt. „Diese decken allerdings nur die Fixkosten der Firma wie Miete, Strom und Versicherungen.“ Die Miete für die derzeitige Wohnung sowie das neue Haus und die Lebenshaltungskosten sind damit noch nicht gedeckt.
Der Kostenfaktor mag bei vielen Menschen in ähnlicher Situation ausschlaggebend sein, sich trotz des Kontaktverbots gegen eine Umzugsfirma zu entscheiden. „Wir erleben zumindest keinen Ansturm“, sagt Roland Huf. Er betreibt die Firma „Rolands Umzüge“ in der Weißenfelser Klosterstraße. „Im Einzelfall ruft man uns zur Hilfe, doch im Allgemeinen läuft das Geschäft eher ruhig.“
Schon vor Monaten Atemschutzmasken bestellt
Nur: Wie arbeiten Umzugsdienstleister eigentlich in Corona-Zeiten? „Wir tragen in der jetzigen Situation grundsätzlich Handschuhe und Mundschutz“, so der Unternehmer. Um den Kontakt zu anderen Menschen aufs Minimum zu beschränken, hat er zudem den Haupteingang seiner Firma geschlossen. „Aufträge nehmen wir ausschließlich telefonisch entgegen.“ Er selbst war vor der Corona-Krise früh gewarnt.
„Meine Tochter lebt in Peking und sie hatte mir die dramatische Lage vor Ort geschildert.“ Schon vor Monaten bestellte Huf daher für sich für seine Mitarbeiter Atemschutzmasken. „Beim Transport in den dritten Stock kommen meine Jungs damit ganz schön ins Schwitzen“, so Huf.
Tapetenwechsel in Krisen-Zeiten: Keine große Gruppe, nur ein Umzugshelfer
Auf den Schutz zu verzichten komme trotzdem nicht in Frage. „Wir sind auch in Seniorenresidenzen bei Wohnungsauflösungen tätig und wollen nicht schuld daran sein, dass wegen Unvorsichtigkeit auch nur ein Menschenleben aufs Spiel gesetzt wird.“
Vorsicht ist auch oberstes Gebot bei Désirée Müller, die keinen ihrer Freunde und Verwandten mit dem Umzug gefährden will. „Wir werden nur meine Cousine zur Hilfe dazu holen.“ Verschieben könne sie den Umzug nicht. „Die jetzige Wohnung ist gekündigt, es gibt bereits einen Nachmieter.“
„Anfangs war ich wegen der ganzen Situation sehr verzweifelt, inzwischen überwiegt die Zuversicht"
Zu den drückenden finanziellen Sorgen kommen auch noch praktische Probleme. „Die Firma, in der wir unseren Fußbodenbelag passgenau zugeschnitten kaufen wollten, hat aufgrund der Coronaverordnungen geschlossen.“ Was bleibt, sind im Internet oder im Baumarkt fertige Bahnen zu kaufen und diese selbst zuzuschneiden.
Doch die Zeit drängt. „Anfangs war ich wegen der ganzen Situation sehr verzweifelt“, so die Mutter. „Doch inzwischen überwiegt die Zuversicht und ich sage mir: Wir schaffen das. Ich bin von Natur aus ein Stehaufmännchen.“ (mz)