Steigt von Bühne und klettert auf Dächer
Wuschlaub/MZ. - Dabei wissen die Kunden aber nicht, dass die Absolventin des Hohenmölsener Agricolagymnasiums eine Schornsteinfegerin in spé ist, die noch dazu singen kann und schon auf einer Bühne stand - zum Schlossfest, als es hieß "Weißenfels sucht den Superstern".
"Das war vor drei Jahren", erinnert sich die kesse Jugendliche, die im 56-Seelen-Dörfchen Wuschlaub bei Muschwitz zu Hause ist. "Ich wurde mit einem Hit von Whitney Houston Zweite", blickt sie zurück. Im Schüler-Musical "Joseph und seine Brüder" übernahm sie die Rolle der Erzählerin. Musicalsängerin wollte sie werden. In der Außenstelle Hohenmölsen der Kreismusikschule fing alles an. Dort begann die 20-Jährige mit sieben das Klavierspiel zu erlernen. "Später nahm ich Gesangsunterricht", plaudert die Frau von der Schwarzen Zunft. Im März 2005 nahm sie an einem Workshop an der privaten Musicalschule in Hamburg teil. Eine Woche kostete 450 Euro - ohne Verpflegung und Unterkunft.
"Meine Eltern haben mir das alles ermöglicht", erinnert sich die Tochter. Als Kathleen Bliedtner erfuhr, dass sie die Aufnahmeprüfung bestanden hat, war sie überglücklich. Doch die böse Überraschung folgte, als es hieß, pro Jahr seien 7 000 Euro an Schulgeld aufzubringen - wieder ohne Essen und Unterkunft. "Das wären 21 000 Euro gewesen, die meine Eltern für die dreijährige Ausbildung hätten berappen müssen. Unerschwinglich für unsere Familie. Ich spürte eine Mischung aus Trauer und Wut und dachte - diese Schule ist nur etwas für Reiche." Wenn sie schon nicht Musicalsängerin werden konnte, so wollte Kathleen Bliedtner trotzdem einen außergewöhnlichen Beruf ergreifen. Der Zufall stand Pate, dass Bezirksschornsteinfegermeister Bernhard Scholz einen Lehrling suchte. "Ich kam im richtigen Moment", so die Auszubildende.
Die praktische Arbeit im Umgang mit dem Messgerät zur Ermittlung der Abgasverluste sei interessant. Gekehrt werde kaum noch. Dennoch habe sie, die den Höhentauglichkeitstest bestanden hat, keine Angst, auf Dächer zu steigen. "Das kommt schon vor, wenn ich unserem Gesellen Christian Lieder zur Hand gehe", erklärt sie. "Im Landkreis bin ich die einzige Frau in unserer Zunft", versichert sie stolz. "Die Arbeit macht Spaß, die Kunden sind nett".