1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Weißenfels
  6. >
  7. Selbständigkeit in der Region: Selbständigkeit in der Region: Handel bei Existenzgründungen so unbeliebt wie nie

Selbständigkeit in der Region Selbständigkeit in der Region: Handel bei Existenzgründungen so unbeliebt wie nie

Von Petra Wozny 14.11.2013, 10:28
IHK-Vizepräsident Daniel König freut sich mit Katrin Müller (li.) und Kathrin Sporbert über deren Schritt in die Selbständigkeit.
IHK-Vizepräsident Daniel König freut sich mit Katrin Müller (li.) und Kathrin Sporbert über deren Schritt in die Selbständigkeit. Petra Wozny Lizenz

Weissenfels/Zeitz/MZ - „Das Genörgel über Zeitz kann ich bald nicht mehr hören. Ich finde die Stadt wunderschön.“ Katrin Müller strahlt und schildert beim traditionellen Begrüßungsabend der Existenzgründer am Mittwoch in der IHK-Geschäftsstelle Weißenfels ihren Schritt in die Selbstständigkeit. Sie ist mitten ins Zentrum von Zeitz gegangen und noch dazu in eine Branche, die in dieser Stadt am Boden liegt - den Handel. Seit August offeriert die 46-Jährige in der Judenstraße im „Milano“ italienische Mode. Keine Angst, dass die gerade in Zeitz nicht angenommen wird? „Was soll denn diese Frage? Zeitz ist geradezu ausgehungert nach Qualität“, kontert die ehemalige Balletttänzerin, die wertvolle Handelserfahrungen in den letzten Jahren gesammelt hat. Schon jetzt spüre sie, dass der 70 Quadratmeter große Laden zu klein wird. Im kommenden Jahr wolle sie ein zweites Geschäft eröffnen. Dann möchte sie auch Mode für Jugendliche anbieten - natürlich wieder in der Innenstadt.

Laut Gründerreport erreichen in den nächsten fünf Jahren mehr als 1.000 Unternehmer das Rentenalter oder haben es bereits überschritten. Ein Drittel davon hat Probleme, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Gegenwärtig fehlen bereits in Sachsen-Anhalt rund 10.000 Unternehmen. In den Altbundesländern kommen auf 10.000 Einwohner 444 Unternehmen, in Sachsen-Anhalt sind es im Vergleich mit 347 fast 100 weniger. (ihk)

Für den IHK-Vizepräsidenten Daniel König, der in Naumburg selbst eine Firma leitet und stellvertretender Vorsitzender des Handels-Ausschusses der IHK ist, ist das Balsam auf geschundene Seele. Denn der Trend bei Existenzneugründungen im Burgenlandkreis ist seit zwei Jahren extrem im Sinkflug - im Kammerbezirk Halle-Dessau trägt der Kreis gemeinsam mit Dessau-Roßlau die rote Laterne, beträgt doch das Minus fast 30 Prozent. Besonders unbeliebt sind der Handel und der Kfz-Bereich. „Das lässt uns nicht sorgenfrei in die Zukunft blicken“, umschreibt er die Krisensituation moderat. Ebenso wie im Bildungssystem und in der Veränderung der Struktur in den Kommunen sieht König im demografischen Wandel eine wichtige Ursache für das Minus bei Neugründungen.

Veränderungen gab es auch auf dem Arbeitsmarkt. Immer weniger Existenzgründer kämen aus der Arbeitslosigkeit, bestätigt Hans-Jürgen Stößer, Geschäftsstellenleiter der IHK in Weißenfels. Bei der letzten Erhebung seien es gerade Mal noch etwas über ein Drittel gewesen. Ein Grund: Anfang 2012 sei der Gründungszuschuss reformiert worden, es besteht kein Rechtsanspruch mehr. Die Bewilligung der Anträge seien um 50 Prozent zurückgegangen. „Wir brauchen jeden Unternehmer und möchten darum alle Neuen ermutigen, für ihre Ideen zu kämpfen“, macht König den jungen Selbstständigen Mut. Zu ihnen gehört unter anderem Kathrin Sporbert aus Staschwitz, Elsteraue. Die gelernte Ergotherapeutin musste sich vor Jahren beruflich neu orientieren. Nach zwei Jahren in einem 400-Euro-Job im Handel stand für die alleinerziehende Mutter fest: „Ich erfülle mir meinen Traum.“

Auf dem Begrüßungsabend der IHK redet sie von ihrem Neuanfang. „Während eines Urlaubs in Norddeutschland entdeckte ich eine ambulante Mosterei. Da funkte es.“ Die agile Frau macht dort schließlich ein Praktikum und eröffnete nun nach der Anschaffung der entsprechenden Technik ihre eigenes mobiles Unternehmen. Im Umkreis von rund 100 Kilometern fährt Sporbert zu Kleingärtnern und mostet direkt vor Ort das Obst. Mindestannahme sind 50 Kilo Früchte. „Die Leute finden es prima, dass sie so den Saft aus ihren Früchten bekommen, was in anderen lokalen Mostereien nicht ist. Dort wird Obst gegen fremden Saft getauscht.“ Die Dienstleistung werde im ländlichen Raum so gut angenommen, dass die Staschwitzerin an den Ausbau des Unternehmens denkt. Ab dem kommenden Jahr wolle sie auch Gemüse mosten, Marmeladen und Gelees kochen, Liköre und Wein herstellen. So könne sie ganzjährig und nicht nur saisonal für ihre Kunden da sein. „Der eigene Chef zu sein, gefällt mir“, findet sie.