Selbst Garfield fühlt sich mit seiner Schleife geschmeichelt
BAD BIBRA/WEISSENFELS/MZ. - "Der wächst aber noch", sagt Anke Engelhardt. Garfield, noch nicht mal ein Jahr alt, trägt Fliege. Engelhardts Sohn Markus (14) hat sie ihm um den Hals gebunden. Der Blondschopf lächelt verschmitzt. Offensichtlich trägt Garfield sie nicht zum ersten Mal, erwartet dafür natürlich auch ein Lob vom Gast.
Doch eigentlich geht es beim Hausbesuch bei Engelhardts in Bad Bibra nicht um Garfield, aber um Fliegen. Jene Schleifen oder Querbinder, die sich der Hausherr Dieter Engelhardt tagtäglich um den Hals bindet. Der 54-jährige diplomierte Bauingenieur ist seit 1. Oktober erster Beigeordneter des Landrates und leitet das Dezernat II in der Verwaltung des Burgenlandkreises. Bereits seit 1990 arbeitet er in der Kreisverwaltung, zunächst in Nebra, übernahm dann die Bauaufsichtsbehörde im Burgenlandkreis. Als der sich mit dem Landkreis Weißenfels zusammenschloss, zog das Bauordnungsamt nach Hohenmölsen um. Seit Ende letzten Jahres hat er sein Büro in Weißenfels. Innerhalb der Verwaltung sei er insgesamt neunmal umgezogen, sagt er. Privat wird ihm das nicht passieren. Er sei in Bad Bibra geboren, habe das geerbte Haus umgebaut. "Ich bin ein technischer Typ, ich brauche das als Ausgleich", sagt der Mann.
Groß gewachsen ist er, trägt Brille - und Fliege. Er sei schon ein Beamtentyp, meint er, wolle aber mit seinem Kleidungsstil nicht den Oberlehrer herauskehren. "Ich trage Jeans, ein farbiges Hemd und ein Jackett", zählt er auf. Sicher, in seiner Nebraer Zeit habe er auch Krawatte getragen. "Doch, wenn du darauf kleckerst, hast du sie versaut und kannst sie wegschmeißen", sagt er. Da stimmt ihm seine Frau Anke, die Friseurin im Bad Bibraer Altenheim ist, zu. Auf den schmückenden Stoffstreifen gekommen sei er Mitte der 90er Jahre. Da habe sich der MDR mit Escher zum Filmdreh angemeldet. Dafür habe er sich die erste Schleife gekauft. Zum Anzug sei die Fliege fast zu fein, meint er: "Doch wenn du kein weißes Hemd trägst, wird das kaschiert."
Bis auf zwei oder drei Stück habe er seine alle selbst gekauft, sagt Engelhardt. In Korb liegen im Moment 36 Exemplare. Obwohl: sagt er und seine Frau stimmt zu: "Klamotten kaufen wir eigentlich immer gemeinsam." Er stimmt sich auch jeden Tag mit ihr ab, ob da gewählte Stück farblich zum Hemd passt, ehe er es um den Hals bindet. "Ein Spiegelsteher bin ich nicht", sagt er und vertraut dem Geschmack seiner Angetrauten. Auf der Suche nach einer richtig grünen Fliege ist er schon seit Jahren sagt. Er lässt aber nicht unerwähnt, dass ihm seine Kollegen vom Bauordnungsamt zum Abschied einen Apfelbaum zum Pflanzen und eine solche geschenkt haben, als er das Dezernat II übernahm. Die ist wenigstens ein bisschen Grün. Selbst eine aus Holz findet sich im Korb.
Weihnachten steht vor der Tür. "Wir schenken Praktisches", sagt die Frau des Hauses, der Oma auch mal Blumen und Süßigkeiten. Der große Sohn Matthias (25) studiert in Ilmenau Maschinenbau, bekommt Geld. Viel wichtiger ist Engelhardts die familiäre Atmosphäre. Den Teig für zehn Stollen nach altem Rezept hat Anke Engelhardt mit ihrer Mutter schon geknetet und beim Bad Bibra Bäcker backen lassen. Heiligabend geht die Familie in die Kirche. "Wir sind evangelisch", sagt der Hausherr, der CDU-Mitglied ist. "Aber Religion ist mehr als Glaube. Die Gemeinschaft braucht die Religion", meint er. Abends werden Geschenke ausgepackt, die unter dem Tannenbaum warten. Nein, eine neue Fliege wird nicht dabei sein. Am ersten Feiertag kommt die Familie, auch Oma und Bruder, bei Engelhardts zum Essen zusammen. Rehbraten will die Hausfrau zubereiten. Am zweiten Feiertag geht es zur Mutter, die brät traditionell eine Gans.
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