Seit Amokfahrt an Rollstuhl gefesselt Seit Amokfahrt an Rollstuhl gefesselt: Weißenfelser sehnt sich nach einem Handbike

Weißenfels - Es sei eigentlich nicht seine Art, sagt Rico Pfeiffer. Trotzdem ist er an die Öffentlichkeit gegangen und bittet um Geld. Er wusste einfach nicht mehr weiter. Rico Pfeiffer sitzt im Rollstuhl. Er möchte ein Handbike.
„Einfach mal Fahrradfahren auf dem Saale-Radweg und zum Garten, oder, um Freunde zu besuchen.“ Das war für ihn bis zu seinem 15. Lebensjahr völlig normal. Und dann änderte sich auf einen Schlag sein ganze Leben.
Rückblick: Es ist der 20. September 1992. Rico Pfeiffer steht mit seinen Kumpels vor der Disco in Uichteritz. In diesem Moment fährt ein 19-Jähriger Amok. Er setzt sich hinter das Steuer eines gestohlenen Autos, gibt Gas und rast direkt auf die Gruppe der Jugendlichen zu. 13 Menschen werden verletzt, darunter Rico Pfeiffer, ein Mädchen stirbt wenig später an seinen Verletzungen.
Weißenfelser wird mehrmals operiert
Der Weißenfelser wird erst nach Merseburg ins Krankenhaus gebracht, später nach Halle-Kröllwitz geflogen. Der Jugendliche wird mehrmals operiert. Erst im Dezember des Jahres verlässt er die Reha und darf zurück nach Hause - mit gelähmten Beinen im Rollstuhl.
Alles wird anders. Die Eltern suchen für sich und ihre beiden Söhne eine neue behindertengerechte Wohnung - und finden keine. Die Türen darin sind für den Rollstuhl zu eng. Es gibt auch keine Dusche, nur eine Badewanne. Rico Pfeiffer ist ständig auf helfende Hände angewiesen. Drei Stufen im Hausflur isolieren den Jugendlichen von der Außenwelt. Irgendwann reicht es ihm und er trainiert es, auf den Hinterrädern seines Rollstuhls zu balancieren. Dann ist der Moment gekommen. Der junge Mann ist allein zu Hause und fährt ganz langsam an den Rand der obersten Treppe.
„Auf den Hinterreifen bin ich Stufe für Stufe hinunterbalanciert“
„Auf den Hinterreifen bin ich Stufe für Stufe hinunterbalanciert“, sagt er. Es funktioniert. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte er es nicht geschafft. Er fährt nach draußen vor die Haustür. „Da war ich ein bisschen frei“, erinnert sich der heute 41-Jährige noch gut.
Durch den Krankenhausaufenthalt und die Reha verpasst er den Realschulabschluss, schafft aber doch noch den erweiterten Hauptschulabschluss. Später fängt der junge Mann, der bis zum Unfall erfolgreicher Fußballer war, eine Lehre zum Nachrichtengerätemechaniker und bricht sie ab. Seit er denken konnte, wollte er Dachdecker werden. Halt geben ihm seine Freunde, die ihn nach dem Unfall auffangen und seine Familie. 2007 schafft er eine Lehre zur kaufmännischen Bürokraft.
Als 20-Jähriger zieht er in eine eigene Wohnung
Als 20-Jähriger zieht er in eine eigene Wohnung. Dann fällt der Hobbyfotograf, der vor allem gerne die Wolkenformationen vor Gewittern aufnimmt, in ein tiefes schwarzes Loch. „Ich hatte ungefähr eineinhalb Jahre Depressionen“, gibt er zu. Aus diesem Tief kämpft sich der Weißenfelser mit aller Kraft Stück für Stück heraus und wieder einmal ins Leben zurück.
Derzeit fährt er jeden Tag nach Gera, wo er in einem Callcenter arbeitet. Finanziell kann er sich wahrscheinlich so ein Handbike niemals leisten. 5.000 bis 7.000 Euro kostet es. Die Krankenkasse übernimmt die Rechnung nicht. Sie ist der Meinung, dass Physiotherapie und das Fahren mit dem Rollstuhl Bewegung genug sind. Rico Pfeiffer wünscht sich ein elektronisch betriebenes Modell, damit er auch Steigungen hinauffahren kann. Gern ist er auf den Radwanderwegen an der Saale unterwegs. Er würde mit diesem Gefährt aber auch im Alltag viel besser zurechtkommen. Es sei schneller und flexibler als der Rollstuhl, sagt er.
Vor wenigen Tagen hat er im Internet einen Aufruf gestartet, in dem er um Spenden bittet. Die Resonanz ist für ihn überwältigend. „Ich hätte damit nie gerechnet“, sagt er mit Blick auf die aufmunternden Worte vieler Menschen und ihrer Hilfsangebote. Langsam keimt die Hoffnung, dass sich sein Traum erfüllen könnte.
››Mehr im Internet unter www.leetchi.com/c/sammeln-fuer-ein-handbike(mz)