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Schlossmuseum Neu Augustusburg Schlossmuseum Neu Augustusburg: Das Geheimnis der Nagelbilder

Von Holger Zimmer 28.09.2016, 10:59
Mike Sachse mit einem der sogenannten Nagelbilder mit einem eisernen Kreuz, die als Leihgabe auf die Reise ins belgische Gent gegangen sind.
Mike Sachse mit einem der sogenannten Nagelbilder mit einem eisernen Kreuz, die als Leihgabe auf die Reise ins belgische Gent gegangen sind. Peter Lisker

Weißenfels - Es ist Minutensache, als ein Kleintransporter am Weißenfelser Schloss hält. Zwei Belgier steigen aus, nehmen von Museumsmitarbeiter Mike Sachse zwei flache runde Pakete entgegen und fahren noch am Freitagnachmittag davon. Im Packpapier befinden sich zwei Nagelbilder mit einem Durchmesser von 70 Zentimetern aus dem Fundus der städtischen Einrichtung. Ab 14. Oktober werden sie im belgischen Gent in einer Ausstellung zum Ersten Weltkrieg in der Sankt-Peters-Abtei gezeigt, die das Historische Haus der Stadt organisiert hat. Dabei soll der Krieg aus den Augen von Schülern dargestellt werden.

Bilder wurden zu Propagandazwecken öffentlich aufgehängt

Laut Sachse gehörten da Nagelbilder unbedingt dazu. Sie sind ab 1915 hergestellt worden. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass alle der damals sechs Millionen deutschen Schüler mindestens einen Nagel für ein Bild eingeschlagen haben.“ Eine der Leihgaben zeigt ein eisernes Kreuz, das im Vorjahr bereits in einer Ausstellung in Essen zu sehen war, das zweite einen Soldatenkopf. Hergestellt worden sind sie vielfach in Essen in einer Schulwandtafel-Fabrik. Das Holz war entsprechend gekennzeichnet, so dass man wusste, wo die verschiedenfarbigen Nägel eingeschlagen werden mussten. Über den Kaufpreis gibt es zwar keine Angaben, doch insgesamt ließen sich zum Beispiel beim Bild mit eisernem Kreuz 161,66 Mark für wohltätige Zwecke einnehmen. So haben allein die 172 großen goldenen Nägel zu jeweils fünf Pfennigen 8,60 Mark eingebracht. Laut Sachse wurde das Geld vom Roten Kreuz verteilt. Er sagt: „Damit wurde Kriegswaisen, Witwen und Versehrten geholfen.“

Aber es gab auch öffentliche Veranstaltungen, bei denen Bilder auf dem Weißenfelser Markt genagelt wurden. Und: Sie wurden zu Propagandazwecken öffentlich aufgehängt. Es muss zahllose Exemplare gegeben haben, doch nur relativ wenige finden sich heute in Museen. „Vielleicht sind sie der sich anschließenden neuen Zeit geopfert worden“, mutmaßt Sachse. Drei aus dem Ersten Weltkrieg und eines von 1933/34 - damals zugunsten des Nazi-Winterhilfswerkes - befinden sich in der Weißenfelser Neu-Augustusburg.

Belgier fragen nach Unterstützung mit Leihgaben

Die Kollegen in Gent sind offensichtlich durch das „Museum digital“ auf die Stücke aufmerksam geworden und haben angefragt, ob die Weißenfelser sie mit Leihgaben unterstützen könnten. Was anfangs bis hin zu einer Versicherung über 1 750 Euro durch die Belgier einfach aussah, musste zuletzt noch eine unerwartete Hürde nehmen. Aber die Staatskanzlei in Magdeburg genehmigte die befristete Ausfuhr der Kulturgüter recht unkompliziert. Es ist nach langer Zeit wieder eine Leihgabe, die ins Ausland geht. So waren Schuhe, aber auch Preußenkönig Friedrich II. als Eisenkunstgussfigur in den 1990er Jahren nach Tschechien, Kanada, in die Niederlande beziehungsweise in die Schweiz gegangen. Mike Sachse meint: „Das ist für uns etwas Besonderes und nicht alltäglich.“

Er hat auch einen persönlichen Bezug zu diesem Teil der Geschichte. In Verdun hat er gigantische Soldatenfriedhöfe gesehen, aber auch Hügel, die im Dauerbeschuss regelrecht umgepflügt worden sind. Und Sachse hat eine französische Stadt besucht, die von deutschen Aggressoren im Ersten Weltkrieg völlig zerstört wurde. Kaum war sie 20 Jahre später komplett aufgebaut, ließ die Nazi-Wehrmacht wieder keinen Stein auf dem anderen. Mike Sachse sagt: „Das war schockierend. Dennoch habe ich dort als Deutscher kein böses Wort gehört.“

Ausstellungen sollen vor allem Mahnung sein

Zwei Sonderausstellungen sind bereits im Weißenfelser Museum zum Ersten Weltkrieg gelaufen: Eine mit Propaganda-Postkarten, eine andere mit Literatur. 2017 kommt die Wanderausstellung des Landes-Museumsverbandes an die Saale. Mit ihr kehrt das zweite Weißenfelser Nagelbild mit eisernem Kreuz zurück. Mit dem Soldatenkopf aus Nägeln wird die Schau ebenso bereichert wie mit einem Maschinengewehr aus dem Fundus. Derzeit schreibt Mike Sachse am Text für ein Begleitheft. Ob diese Ausstellungen der Erinnerung dienen? Er schüttelt den Kopf: „Sie sollten uns vor allem eine Mahnung sein.“ (mz)

Wer für Ausstellung oder Broschüre originale Dinge bis hin zu Schriftstücken beisteuern möchte, melde sich bei Mike Sachse unter 03443/302552.