Reizen, dreschen, rechnen
WEISSENFELS/MZ. - Schon deshalb ist das Kartenspiel aus Altenburg nichts für Frauen. Davon war ich überzeugt, bis ich jetzt Rosalinde Otto kennen lernte.
Die 73-jährige Weißenfelserin spielt seit ihrer Kindheit Karten. "Ich hatte acht Geschwister. Was sollte man da an den langen Winterabenden machen?" Natürlich habe sie Skat auch ihren beiden Kindern beigebracht.
Vor etwa 20 Jahren traute sie sich zum Skatspielen in eine Kneipe. "Da habe ich erlebt, dass nicht jeder mit mir spielen wollte", erinnert sie sich. Das hat sich geändert: In diesem Jahr spielten 274 Frauen am Turnier um den deutschen Damenpokal teil. Gewonnen haben ihn die Frauen aus Sachsen.
1999 trat Rosalinde Otto mit ihrem Mann Harry in den Weißenfelser Skatverein "Schusterjunge" ein. Nun nimmt sie mich unter ihre Fittiche. Für sie ist Skat nicht nur Zeitvertreib. Es ist Sport und Gehirnjogging. In dieser Disziplin muss sie es schon weit gebracht haben, stelle ich mit einem Blick auf die unzähligen Pokale von ihr und ihrem Harry fest. Bis vor zwei Jahren ist in Weißenfels Skat im Verein gespielt worden. Nach der Auflösung des Clubs treffen sich die Skatspieler in der Gartenanlage der Naumburger Straße. "In Naumburg und in Hohenmölsen wird auf Vereinsebene geskatet", erzählt die Rentnerin und holt das deutsche Blatt, wie sie es nennt, aus dem Schrank. Rosalinde, wie ich sie nennen darf, drückt mir beherzt das Spiel in die Hand, erklärt die Farben, Symbole und Augen der
32 Karten.
Da Skat zu zweit nicht geht, gesellt sich ihr Ehemann, er ist Skatmeister von Weißenfels im Jahr 2001, hinzu. "Mischen", sagt Rosalinde kurz. Kann ich. Kenn ich noch aus der Kindheit vom Quartettspielen. Beim Ausgeben der Karten geht das Kino schon los. Vorhand, Mittelhand und Hinterhand heißen die Spieler, die nun zehn Karten in der Hand haben. Dann wird es lustig, denn irgendwie komme ich mir wie auf einer Auktion vor. Ich soll reizen. Der Höchstbietende bekommt das Spiel. Ich sehe auf die Karten - sehe erst einmal nichts und erinnere mich an das Gehirnjogging, muss man doch die Spielwerte auswendig können. Die pfiffige Rosalinde hilft. Die Anzahl der Buben plus angesagter Gewinngrad, multipliziert mit der gewählten Trumpffarbe des Spiels. Alles klar? Kreuz-Bube ist das meiste wert. Habe ich. Toll. Was jetzt? Es wird immer noch gereizt, erklärt Harry Otto. Eine mysteriös anmutende Zahlenreihe ergibt sich.
Eigentlich könnte ich alles in den Skat drücken. Doch jetzt geht das Spiel erst richtig los. Das mit der ranghöchsten Karte habe ich beim Farbspiel schnell geschnallt. Kreuz, Pik, Herz, Karo, As. Dann König, Dame, 9, 8, 7. Mir wird schnell klar, dass das Reizen viel einfacher war als das, was nun Schlag auf Schlag folgt. Wer könnte welche Karte noch auf der Hand haben? Ähnlich dem Schach gilt es beim Skat im Voraus gedanklich das Spiel zu machen. Der erste Stich wird gespielt. Es wird abgeworfen und abgeschmiert. Nach zweieinhalb Minuten ist mit viel Hilfe und Vorsagen alles vorbei. So erschließt sich mir auch, dass bei Turnieren bis zu 48 Spiele gespielt werden. Jetzt kommt der dritte und nicht minder schwierige Teil für einen Anfänger: die Wertung. 120 Augen sind im Spiel. Wer mindestens 61 aufweisen kann, hat gewonnen. Wieder lerne ich hinzu: Auch mit Luschen ist ein Spiel zu gewinnen. Ohne Atempause wird schon wieder gemischt. Rosalinde Otto gibt mir noch zwei Lebensweisheiten mit auf den Weg: "Skat ist erlernbar und man kann so gut wie nicht betrügen." Ich füge die dritte hinzu: Das Spiel hat Platz in der kleinsten Damenhandtasche.