Taucha MZ-Serie, Teil 5: Bäcker Barthold aus Taucha mit Neustart als Notlösung

Taucha - Es riecht nach frischem Brot und Semmeln. Es duftet nach Pfannkuchen und Mandelplätzchen. Ganz normal für einen Bäckerladen, ist man schnell geneigt zu sagen. Doch für Taucha ist es das eben nicht. Es ist ein Segen, sagen die einen.
Die Sonne geht wieder auf, die anderen. Und so stehen die Tauchaer, Leipziger, Hohenmölsener und Granschützer gern in der Schlange beim Bäcker Barthold, um endlich, endlich wieder frische Backwaren von einem Dorfbäcker einzukaufen. Nicht wenige bestellen schon mal vor, damit sie wirklich an die heiß begehrte Ware kommen.
Rückblende: Als das Unternehmen vor zwei Jahren seinen 110. Geburtstag feierte, sah Bäcker Ronny Barthold, der das Geschäft von seinem Vater Fritz übernommen hatte, schon schwarz. „Ich bin der letzte Mohikaner“, prophezeite er damals.
Die Verzweiflung war ihm anzusehen. Müde und krank war er. Zwei seiner wertvollsten Mitarbeiter standen vor der Rente - Nachwuchs war nicht in Sicht. Auf viele Jobgesuche meldete sich niemand. Im Sommer vergangen Jahres riss der heute 46-Jährige die Reißleine.
Keine Einnahmen mehr
Er schloss alle seine drei Verkaufseinrichtungen und entließ die restlichen Mitarbeiter. Eine Zeit, in der der Bäcker voller Unsicherheit mit seiner Familie lebte, begann seinen Lauf zu nehmen. „Du hast als Selbstständiger nichts“, erinnert er sich.
Da waren Nachzahlungen, noch ausstehende Löhne, Betriebskosten, Versicherungen, aber keine Einnahmen mehr. „So etwas geht ans Eingemachte und auch an die Ehre“, weiß Barthold heute, der aus medizinischer Sicht nur noch zwei Stunden am Tag arbeiten dürfte.
Die Handwerkskammer Halle bestätigt das Sterben der Bäckereien in der Region. Gab es 2004 im Kammerbezirk, wozu auch der Burgenlandkreis zählt, noch 268 Bäckereien, sind es heute unter 200. Jedes Mal ist es ein Schicksal vor Ort, wie auch das von Bäcker Hans-Dieter Werner. Der Hohenmölsener versorgte über viele Jahre den Weihnachtsmarkt der Stadt mit einem XXL-Stollen. Im vergangenen Jahr schloss er. Nicht nur seine Backwaren fehlen. Ungewiss ist auch, wer den nächsten Stollen backen wird.
Das Schicksal seines Kollegen geht Ronny Barthold nahe. In Taucha gingen der Sommer 2015 und der Herbst ins Land und kurz vor dem Advent wurde so manchem Tauchaer klar, dass er wohl das erste Weihnachten ohne einen Stollen von Bartholds das Fest feiern müsste. „Unvorstellbar fanden das viele und sprachen uns an“, erinnert sich Fritz Barthold. Eine über hundert Jahre alte Tradition drohte, den Bach runterzugehen. Das durfte und konnte doch nicht sein. Gebraucht zu werden, machte der Bäckerfamilie Mut. Und Bartholds feuerten wieder den Ofen an. Weihnachten 2015 war gerettet.
Freude bei den Kunden
Keine Frage, die Stollenproduktion und auch der Gedanke, dass es doch irgendwie weitergehen muss, auch ohne Mitarbeiter und mit Krankheit, einem behinderten Kind und Eltern, die selbst 71 und 80 Jahre alt sind, stachelten Ronny Barthold an. Teig allein herstellen, Bestellungen erledigen - das hatten früher Bartholds Mitarbeiter gemacht.
Nun bewältigte Ronny Barthold auch diese Aufgaben. Anfang des Jahres öffnete er nur samstags. Selbst darüber war die Freude bei den Kunden groß.
Jetzt zieht frischer Backwarenduft dreimal die Woche durch den Laden. Dienstags, freitags und samstags steht Barthold in der Backstube. Ohne die Hilfe seiner betagten Eltern - Mutter Ingrid verkauft mit einer weiteren Verkäuferin und Vater Fritz hilft bei der Teigherstellung, geht es aber nicht.
„Wir ziehen hier alle an einem Strang, anders ist es nicht zu stemmen“, betont Ingrid Barthold und zeigt sich energiegeladen. Ronny Barthold hält den Ball niedrig, auch wenn es ihm schwerfällt. Gesundheitlich müsste er wieder auf die Beine kommen.
Das hätte eigentlich Vorrang, sagt er leise. Nicht zu unterschätzen wäre auch eine Sanierung der Tauchaer Bäckerei, um mit Discountern mithalten zu können.
Kleine Bäckereien punkten entweder mit ihrer exklusiven Lage oder einem zusätzlichen Café. Barthold überzeugt bislang mit Qualität. Während die Kunden glücklich ihre Brote und Brötchen nach Hause schleppen, ist sich Ronny Barthold bewusst, dass die Dreitageöffnung nur eine Notlösung ist.
„Es geht, aber es ist nichts auf Dauer“, sagt er. Zukunftspläne hat er heute nicht.
Lesen Sie am Dienstag: Der Globus-Einkaufsmarkt lässt Kunden aus den Dörfern mit dem Bus abholen. (mz)
