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Letzter Laden dicht Kommunales: Verödet der Bahnhof Weißenfels vollends?

Von Klaus-Dieter Kunick 21.06.2016, 06:33
Bahnhof Weißenfels
Bahnhof Weißenfels Peter Lisker

Weißenfels - Auf dem Weißenfelser Bahnhof scheinen langsam aber sicher die Lichter auszugehen. Das ist zwar nur bildlich gemeint, aber dennoch Realität. Seit Montag können Fahrgäste, die mit dem Zug verreisen wollen, dort nicht mehr einkaufen gehen. Die Unternehmensgruppe Eckert hat an diesem Tag ihre Einkaufsmöglichkeit, in der unter anderem Getränke, Zeitungen und Süßigkeiten zu kaufen waren, für immer geschlossen. Von den Mitarbeitern vor Ort wollte sich dazu niemand äußern. Sie hatten damit zu tun, die restlichen Waren in andere Filialen zu schaffen.

Keine Umstieg, weniger Fahrgäste

Zu den Gründen der Schließung erklärte Regionalleiter Frank Schmiedel, dass es ausschließlich wirtschaftliche Belange gewesen seien. Seit Fahrgäste, die die Regionalzüge von Leipzig in Richtung Saalfeld in Weißenfels nutzen, in Weißenfels nicht mehr umsteigen oder gar warten müssen, sei der Rückgang der Fahrgäste spürbar gewesen. Das wiederum habe sich negativ auf das Verkaufsgeschehen ausgewirkt, ergänzte er.

Die Unternehmensgruppe Eckert bediente die Kunden seit 15 Jahren im Bahnhof. Zwei der Mitarbeiterinnen würden versetzt, eine habe das Angebot abgelehnt, sie müsse daher entlassen werden, fügte der Regionalleiter hinzu.

Düsteres Bild in der Bahnhofshalle

Reisende können zwar noch eine Fahrkarte am Schalter erwerben, auch ein Ticketautomat steht zur Verfügung, aber das war es auch schon. Ankommende, die der Stadt an der Saale einen Besuch abstatten, erwartet in der Bahnhofshalle zunächst ein düsteres Bild.

So traurig wie der Bahnhof innen und außen aussieht, so traurig ist auch Gabriela Gerlach, die gleich neben dem Verkaufsraum von Eckert bei einer privaten Reiseagentur Fahrkarten verkauft. „Wir werden teilweise sogar beschimpft, es wird Frust abgelassen, warum man hier nicht mehr einkaufen kann“, berichtete sie. Auswirkungen auf ihre Tätigkeit gebe es allerdings nicht. Und auch Anke Herrmann zeigte sich enttäuscht. „Ich habe selbst mitunter einiges dort eingekauft“, erzählte die Taxifahrerin. Für diejenigen, die mit der Bahn verreisen, sei das Ganze schlecht, sprach sie weiter.

Die Deutsche Bahn (DB) hat sich seit längerem um den Verkauf des denkmalgeschützten Bahnhofsgebäudes an der Saale bemüht. Ende 2014 fand sogar eine öffentliche Besichtigung der Immobilie mit dem Ziel statt, einen seriösen Käufer mit Nutzungsideen zu finden. Im Vorfeld des Sachsen-Anhalt-Tages, der 2010 in Weißenfels stattfand, war die Fassade des Gebäudes aufgefrischt worden. Die Stadt Weißenfels hat das Bahnhofsgebäude inzwischen gekauft. Der Stadtrat hatte Ende Februar dieses Jahres im nichtöffentlichen Teil seiner Sitzung diesem Schritt bei vier Enthaltungen grundsätzlich zugestimmt.

Der Weißenfelser Bahnhof wurde 1846 eröffnet. Die Weißenfels-Zeitzer Bahn wurde 1859 zwischen Weißenfels, Zeitz und Gera von der Thüringischen Eisenbahn-Gesellschaft eröffnet.

Ähnlich äußerte sich Else Kobold (79), die zwar nicht auf dieses Geschäft angewiesen ist, sich aber solidarisch mit den anderen Fahrgästen zeigte. Jeder freue sich doch, wenn er in einer fremden Stadt ankomme, dass er dort am Bahnhof gleich ein Geschäft finde, wo es etwas zum Einkaufen gebe. Sie habe selbst sieben Jahre am Schalter gesessen und andere Zeiten erlebt, als die Leute in Vierer-Schlange nach Fahrkarten anstanden. Dass es nun soweit kommen musste, sei leider traurig.

Toiletten sind geschlossen

Auf den Punkt brachte es Patrick Geißler. Der 37-jährige Weißenfelser sagte nüchtern: „Das wird sich wohl nicht rechnen.“ Dass es mit dem Bahnhof nicht zum Besten bestellt ist, bestätigten alle Befragten. Allein das Thema Toilette sei ein Drama. Die sei 2010 zum Sachsen-Anhalt-Tag in Weißenfels sowie zum Bahnhofsfest kurzzeitig geöffnet gewesen, doch seit der Zeit ruhe alles, meinte Gabriela Gerlach.

Spätestens an der Stelle muss die bange Frage gestellt werden, wie es mit dem Bahnhof in der Stadt an der Saale weitergehen soll. Geht es nach den Worten von Roland Kähler, der Ansprechpartner Wirtschaftsförderung in der Stadtverwaltung ist, sieht es gar nicht so schlecht aus. Es gebe einen Investor, der Interesse habe, den Laden zu bewirtschaften. Mit dem gleichen Sortiment wie bisher, allerdings mit einem erweitertem Frühstücksangebot, sagte Kähler. An und für sich habe sich der Geschäftsübergang nahtlos anschließen sollen. Doch als die MZ am Montagnachmittag versuchte mit dem neuen Pächter einige Worte zu wechseln, ging bei ihm lediglich die Mailbox an.

Konzept zur Vermarktung des Bahnhofsgebäudes

Eigentümer des Bahnhofsgebäudes ist neuerdings die Stadt. Kähler sagte, man habe gar keine Wahl gehabt. Es habe eine Unternehmensgruppe mit Kaufabsicht gegeben. Die Gefahr habe bestanden, dass nichts investiert wird, alles brach liegen bleibt. Er wies zudem darauf hin, dass es ein Gesamtkonzept zur Vermarktung des Gebäudes gebe, aber, um es auf den Nenner zu bringen, das sei noch nicht spruchreif. Auf die Frage, wann das sein werde, antwortete Roland Kähler: „Ich rechne damit, dass das Konzept 2018 steht“. Bis dahin soll nämlich die Instandsetzung der Bahnhofstraße als Voraussetzung für alles andere abgeschlossen sein. (mz)

Zur Hälfte ist der Laden leer - Mitarbeiter waren am Montag damit beschäftigt, die vorhandenen Waren in andere Filialen zu schaffen.
Zur Hälfte ist der Laden leer - Mitarbeiter waren am Montag damit beschäftigt, die vorhandenen Waren in andere Filialen zu schaffen.
Peter Lisker