Kita in Granschütz Kita in Granschütz: Kindergärtner mit Bart

Granschütz/MZ - Benjamin flitzt über den Flur und brüllt: „Martin ist da.“ Der Knirps ist aus dem Häuschen und mit ihm noch ein ganzes Dutzend Drei- und Sechsjährige, verspricht doch die Anwesenheit dieses Martin Spiel, Spaß und Überraschung. Martin ist stark, Martin hat einen Bart. Martin ist eben ein Mann und keine Kindergarten-„Tante“. Und doch ist er Kindergärtner. Der kräftige, dunkelhaarige junge Mann im bunten Sweatshirt kommt rein und begrüßt seine Sprösslinge mit einem lockeren „Hey!“.
Gerlinde Keck, die Chefin der Granschützer Kindertagesstätte und des Hortes, freut sich über den neuen Mitarbeiter. „Wir haben in der Einheitsgemeinde den ersten Kindererzieher - und das ist richtig klasse.“ Nicht nur, weil er mit seinen 23 Jahren den Altersdurchschnitt des Ü-50-Teams extrem senkt, sondern weil er sich, so Keck, von Anbeginn an in die Erziehungsarbeit gut einbringt. Das komme bei den Eltern und den Kindern an.
„Schon in der Schulzeit schwebte mir ein Beruf im sozialen Bereich vor“, erzählt Martin Kotzian. In der katholischen Kirchengemeinde habe er frühzeitig gelernt, auf Alte, Kranke und Behinderte zuzugehen. „Das ist Usus in unserer Familie“, meint er lachend. Zwei seiner Tanten arbeiten in der Behinderteneinrichtung von Schelkau, die Mutter ist Erzieherin, seine Schwester Sozialassistentin. Der Bruder arbeitet als Chemikant, der Vater ist Kfz-Mechatroniker. Nein, letztere Berufe haben Martin nicht so interessiert. Vor sechs Jahren habe er sein erstes Praktikum in der Granschützer Kita gemacht. Die Eltern seien begeistert gewesen, erinnert er sich. Während der Ausbildung seien in seinem Jahrgang von 25 Auszubildenden drei Männer gewesen. „Ich bin der einzige, der in eine Kita ging. Die anderen beiden Männer arbeiten jetzt in Heimen“, erzählt Martin Kotzian.
Vor der Ausbildung habe er jedoch noch mit einer Arbeit in der Altenpflege geliebäugelt. Die Praktika in der Granschützer Kita hätten ihn jedoch überzeugt, sich beruflich der Kindererziehung zu widmen. Jetzt hat er dort eine Festanstellung in Vollzeit. Vormittags betreut er Kindergartenkinder, ab Mittag ist er im Hort. Wie reagieren seine Freunde? „Wenn ich bei der Disco oder im Fitnessstudio gefragt werde, was ich mache, sage ich natürlich ohne mit der Wimper zu zucken: Erzieher im Kindergarten und dann merke ich das Bumm bei den Gesprächspartnern. Blöde Witze gibt es jedoch nicht, eher Respekt.“
In der Kita sei das anders gewesen. Die Mädchen und Jungen hätten in den ersten Tagen große Augen gemacht, frei nach der Devise: Was will denn der hier? Schnell merkten sie, was mit dem Neuen alles möglich ist. Mit ihrem Erzieher spielen sie Fußball, backen sie Pizza und Brot, bauen sie Buden im Garten und Raketen in der Werkstatt. Martin Kotzian lässt die Jungs hämmern und leimen, tröstet die Mädchen, wenn es nicht gleich so klappt mit der Säge.
„Er hat es ganz schnell geschafft, eine Vertrauensperson zu sein“, sagt die Chefin. Mitunter würden die Knirpse an den weiblichen Mitarbeitern vorbeilaufen, um sich bei ihrem Erzieher auszuheulen oder auszusprechen. „Da sind wir eben mal abgemeldet“, sagt Keck und freut sich über die männliche Verstärkung. Martin lacht. „Ich hatte meinen ersten männlichen Lehrer in der siebenten Klasse. Ich finde, dass muss nicht mehr sein.“ Das Team arbeitet bereits am Ausbau der männlichen Note. Seit langem verbindet die soziale Einrichtung ein Kooperationsvertrag mit der Sekundarschule in Hohenmölsen und stellt auf dieser Ebene Praktikumsplätze zur Verfügung. Nutznießer ist seit vergangener Woche Lukas Prömper aus der achten Klasse.
Auch er spielt mit dem Gedanken, beruflich in die Erziehungsarbeit zu gehen. Martin Kotzian ist für das nächste halbe Jahr sein Mentor. Immer donnerstags kommt Lukas für ein paar Stunden in die Kita. „Der stellt sich richtig gut an“, meint der Erzieher über seinen Schützling. Gerlinde Keck hofft, dass in dem Praktikanten der nächste Erzieher heranwächst. „Wir brauchen keine Luftballons und Werbetage“, spielt sie auf den bevorstehenden deutschlandweiten Aktionstag „Mehr Männer in Kitas“ an. „Wir haben unseren ersten männlichen Erzieher bereits“, meint die Chefin stolz.