Kino-Brille gegen die Angst Kino-Brille gegen die Angst: Patienten dürfen während der OP Filme gucken

Weißenfels - Der Patient liegt auf dem OP-Tisch. Die Ärzte operieren sein gebrochenes Sprunggelenk - und immer mal wieder lacht der Mann dabei vergnügt auf. Grund für das ungewöhnliche Verhalten des Mannes im Asklepios-Klinikum in Weißenfels: Er hat eine „Happy Med“-Brille auf. Das Krankenhaus ist nach eigenen Angaben die erste Einrichtung in Sachsen-Anhalt, die den Einsatz einer solchen Spezialbrille bei Operationen getestet hat.
Mit der Brille samt Kopfhörern werden die Patienten sozusagen ins Kino geschickt: Es laufen Dokumentationen, Komödien oder Kinderfilme. So können Medikamente wie Beruhigungsmittel eingespart werden. Die Brillen werden von den Patienten während der Vorbereitung auf eine Operation mit Vollnarkose, aber auch während einer OP unter Teilnarkose aufgesetzt. „Die Brille dient der Beruhigung und Ablenkung - das ist ihre große Stärke“, sagt Kliniksprecher Stefan Böttinger.
Läuft alles nach Plan und zeigen die Versuche entsprechende Ergebnisse, könnten in Weißenfels drei der Brillen ab Herbst regelmäßig bei Operationen eingesetzt werden.
Statt OP-Angst oder Schmerzen also Dokus und Kinohits
Statt OP-Angst oder Schmerzen also Dokus aus dem Tierreich, Kinohits wie „Bridget Jones“, Klassiker mit Charly Chaplin oder für Kinder „Biene Maja“ oder „Heidi“: Die Titel sind an dem Gerät in mehreren Kategorien abrufbar. Und es gibt Altersbeschränkungen. Wenn die Mediziner mit den Patienten während der Operation sprechen wollen, können sie den Ton ganz einfach ausschalten. Im Gegenzug kann der Patient links und rechts an der Brille vorbeischauen und auch mit den Medizinern reden.
Würde dabei nicht ein normaler Fernseher im OP-Raum reichen? Christian Faber, am Asklepios-Klinikum Bereichsleiter und Fachpfleger in Anästhesie und Intensivpflege, verneint. Das sei nicht möglich, weil sonst die Gefahr bestehe, dass auch die Chirurgen und Schwestern abgelenkt werden könnten.
Pro Monat und Gerät müssten 150 Euro an Leasing- und Servicekosten einkalkuliert werden
In den nächsten Tagen werden die Ergebnisse und Erfahrungen mit den Brillen ausgewertet, sagt Kliniksprecher Böttinger. Dann würden Geschäftsführung und ärztliche Leitung sich für oder gegen die Investition in solche Geräte entscheiden. Erwogen werde, drei Brillen anzuschaffen. Pro Monat und Gerät müssten dann 150 Euro an Leasing- und Servicekosten einkalkuliert werden.
Nach Böttingers Angaben müssten die OP-Patienten keine Angst haben, bei Eingriffen weniger Schmerz- oder Narkosemittelmittel zu bekommen. Der Einsatz der Brillen habe keinen Einfluss auf medizinische oder auch Anästhesie-Entscheidungen. Jeder Patient bekomme die für einen guten OP-Verlauf notwendigen Medikamente. Priorität habe ein möglichst belastungsarmer Eingriff.
Positive Resonanz bei den Patienten
Aufmerksam geworden sei das Klinikum auf die Brillen eines österreichischen Herstellers im vergangenen Jahr auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin in Leipzig. Bei fünf OP-Patienten ist das Testgerät inzwischen ausprobiert worden. Vier Patienten fanden ihre Wirkung gut. Nur eine Person konnte sie nicht nutzen, weil sie Beklemmung bekam, bilanziert Christian Faber.
Jährlich werden in der Asklepios-Klinik Weißenfels etwa 8.000 Operationen vorgenommen: davon 5.500 stationär und 2.500 ambulant. Die Patienten oder die Krankenkassen müssten für eine Nutzung der Brillen nicht für Zusatzkosten aufkommen. Diese würden vollständig vom Klinikum übernommen. (mz)