Job-Serie Job-Serie: Ist der Schwimmmeister ein Mann der Extreme?
Lützen/MZ. - Der Schwimmmeister hat es gut: Der ist im Augenblick am richtigen Fleck. Der kann ins Wasser, wenn kein anderer im Becken ist, sitzt unterm Sonnenschirm, wenn Gäste sich in den Baumschatten drängen und wenn mal schlechtes Wetter ist, hat er früher Schluss. Ein wahrer Traumjob, um den ihn die Büro-Geplagten zur Zeit beneiden.
"Es ist ein Traumjob", sagt der Lützener Schimmmeister Carsten Just und grinst: "Aber nicht, weil so wenig zu tun ist." Im Gegenteil, es gebe eine Menge zu tun, aber das liege ihm, der über sich sagt: "Ich brauche Action auf Arbeit."
Viele Tätigkeiten
Dann zählt er auf, was er in seinem Bad so alles zu tun hat - viel mehr, als man als Büro-Mensch annimmt. Just ist "Mädchen für alles", sagt er. Das heißt, er ist nicht nur für den Notfall, um zu retten im Sommerbad, sondern auch als Chemiker, Reinigungskraft, Krankenpfleger, Gerätewart, Erfinder und Maler. Und fürs Zurücklehnen und Zeitungslesen wie auf dem gestellten Foto nebenan habe er bei der Arbeit noch nie Zeit gehabt.
Bei gutem Wetter wie heute kommt er um 7 Uhr ins Schwimmbad und legt los: Er nimmt eine Wasserprobe und testet an seinem "kleinen Chemiebaukasten", wie er sagt, ob Chlorgehalt und PH-Wert stimmen. Dann gibt er den Beckenbodenstaubsauger ins Wasser, weil das besser geht, wenn keiner schwimmt. Er reinigt mit Besen in der Hand Wasserrinne und Rutsche, strahlt das Kinderbecken ab und füllt es neu auf, kehrt und leert die Papierkörbe. Lange darf er nicht dafür brauchen, denn vor der normalen Öffnungszeit kommen schon die Frühschimmer.
Und die wissen, was sie an ihrem Rettungsschwimmer haben: "Unser Carsten Just macht das super hier", lobt Almut Nebe aus Lützen. Sie weiß, wovon sie spricht, kommen sie und zwölf andere Frühschwimmerinnen von Mai bis September täglich - jeden Morgen! - ins Bad und ziehen ihre Bahnen.
Die Hochzeit seiner Arbeit ist an richtigen Sommertagen ab 16 Uhr, wenn jene, die bis dahin im Büro vom Bad geträumt haben, dem Traum nachgehen. "Dann sind schon mal 250 Personen im Becken", sagt Just. Wenn es derart hoch hergeht, läuft er Runden, um alle Bewegungen im Auge zu behalten. Gefährlich sei es, wenn Eltern, die ihre noch nicht schwimmenden Kinder mit deren Schwimmhilfen mit ins tiefe Wasser nehmen. Denn im Gedränge sei es schwer zu erkennen, ob ein Erwachsener daneben schwimmt oder das Kind allein unterwegs ist, sagt Just. "Die Kinder sollten im Flachen bleiben", mahnt er.
In den Stoßzeiten teilen sich oft zwei Schwimmmeister den Posten, um alles zu schaffen. Schließlich nehmen die Fragen und Bitten mit der Anzahl der Gäste zu. So ist Just auch erster Ansprechpartner bei Verletzungen - meist Wespenstichen und Prellungen. Da die Stellen gekühlt werden müssen, aber die Kühlakkus nicht selten mit der Schwellung verschwanden, hat er sich etwas einfallen lassen. Seit einiger Zeit füllt er Plastikhandschuhe mit Wasser und friert sie ein. Betroffene bekommen nun eine eisige, weiße Hand auf die Schwellung, aber es ist nun nicht mehr so wichtig, dass er den Handschuh zurückbekommt.
Im Winter ins Kalte
Im übrigen kennt er die meisten Schwimmgäste mit Namen. Grüßt freundlich Groß wie Klein, erkundigt sich nach Urlauben, Familie und Befinden. Er ist Lützener, gehört in diese Stadt.
Bis 20 Uhr geht Justs Arbeitstag an den Traumtagen anderer. Bei schlechtem Wetter macht er dafür früher zu - "dadurch gleicht sich die Arbeitszeit aus", sagt er. Von April bis Oktober ist das Sommerbad seine Arbeitsstelle, ist er bei der Betreiber-Firma Konform angestellt. Nach Ende der Saison, im Oktober, mache er das Gelände winterfest, im April beginne die neue Saison mit dem Beckenstreichen. Und dann? Kaum wird es kühl, mag der Mann es noch kälter: Über die Wintermonate arbeitet er im Lager einer Fleischerei in Osterfeld - bei zwei Grad Celsius. Offenbar kann er mit mittleren Temperaturen nichts anfangen. Wobei der Neid sich wohl auf seinen traumhaften Sommerjob beschränkt.