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Jens Koegel Jens Koegel: Wieso ein Frisör aus Weißenfels seinen Azubis deutlich mehr zahlt

Von Petra Wozny 01.01.2018, 08:00
Friseurmeister Jens Koegel mit Ana Curreia, die ihre Lehre im Sommer beendet hat.
Friseurmeister Jens Koegel mit Ana Curreia, die ihre Lehre im Sommer beendet hat. Peter Lisker

Weissenfels - Ana Curreia ist Friseurin in Weißenfels, und das mit Leib und Seele. Die Lehre hat sie im Sommer als Landesbeste abgeschlossen. Im Bundeswettbewerb erreichte die heute 26-Jährige einen respektablen sechsten Platz. „Ich denke, der Grundstein dafür wurde in der Ausbildung gelegt. Ich durfte von Anfang an viel mehr machen als es im ersten Lehrjahr überhaupt üblich ist“, erinnert sich die Portugiesin.

Jens Koegel, der Chef von Ana Curreia, führt Salons in Halle und in Weißenfels. Er beschäftigt 15 Mitarbeiterinnen und bildet vier Lehrlinge aus. Vor sechs Jahren änderte er die Ausbildungsansätze radikal. Im Kern: Auszubildende dürfen wesentlich schneller am Kunden arbeiten. Der Lohn: wesentlich mehr Auszubildendenvergütung. „Alles hat etwas mit Wirtschaftlichkeit und Kalkulation zu tun. Wir machen Umsatz und sind nicht bei der Wohlfahrt“, betont der 51-jährige Meister.

Frisör Koegel: Meine Lehrlinge stehen nicht rum

„Meine Lehrlinge stehen nicht rum. Sie sollen schnell eigenen Umsatz machen. Wenn sich fremde Lehrlinge bei uns beworben haben, ist mir aufgefallen, dass sie zu wenig können. Da sind meine jungen Leute zwei Schritte voraus. Sie bedienen bereits im zweiten Lehrjahr eigenhändig die Kunden.“

Das bestätigt die junge Gesellin Ana Curreia. „Shampoonieren, Kopfmassage, Ansatzfarbe - sobald ich gezeigt habe, dass ich das allein kann, durfte ich das auch machen.“ Im ersten Lehrjahr Haare zu schneiden, das sei so nicht üblich, habe sie in der Berufsausbildung erfahren. Da sei sie schon eine Exotin gewesen. Motiviert habe sie, dass sie gefordert wurde, aber auch gefördert. Sie bekam im ersten Lehrjahr bereits 100 Euro mehr als Azubis aus anderen Salons.

In Sachsen-Anhalt gibt es seit 15 Jahren keinen Landesinnungsverband

In Sachsen-Anhalt ist das nicht normal. Die Crux: im Land gibt es seit 15 Jahren keinen Landesinnungsverband. Damit besteht für ausbildende Salons Vertragsfreiheit. Im ersten Lehrjahr bekommt eine Friseurauszubildende im Durchschnitt 153 Euro, im zweiten Lehrjahr 175 Euro, im dritten 210 Euro. Das ist das Mindestmaß, darunter darf nicht gegangen werden, sagt zum Beispiel die Innung in Thüringen. Heidrun Grille ist Obermeisterin in Weißenfels.

„Solange es kein Muss ist, die Auszubildenden-Vergütung anzuheben, macht es kaum einer“, ist ihre Erfahrung und fügt hinzu: „Natürlich finde ich es motivierend, mehr zu zahlen. Darum bekommen meine zwei Lehrlinge monatlich eine Provision.“ Generell, so ist ihr Eindruck, würden zu wenig Jugendliche im Friseurhandwerk ausgebildet. In diesem Jahr sind es in Weißenfels gerade einmal zehn. Vor einigen Jahren seien es fast 20 gewesen. „Ausbildung kostet nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Auch da liegt der Hase im Pfeffer“, so Grille.

Frisör Koegel: Für mich hat Ausbildung etwas mit Weitsicht zu tun

„Für mich hat Ausbildung etwas mit Weitsicht zu tun, denn ich bekomme als Unternehmer diesen Einsatz ja wieder zurück“, erklärt Koegel. Wer bereits im ersten Lehrjahr Haare schneide, mache Umsatz und habe über mehrere Jahre dann selbst Stammkunden. „Natürlich dauert die Arbeit noch es etwas länger und ich kann auch nicht den vollen Preis nehmen. Kunden, die sich von einem Azubi im zweiten Lehrjahr bedienen lassen, zahlen beispielsweise 30 Prozent weniger. Doch am Ende des Monats spiele ein solch geförderter Azubi immerhin bis zu 700 Euro in die Salonkasse.

„Der Ansatz für gute Leistung auch mehr zu zahlen, ist gut.“ findet Friseurmeisterin Katrin Mahler. Sie betreibt seit 1988 einen Salon in Weißenfels. Vor sechs Jahren habe sie jedoch aufgehört, auszubilden. „Leider habe ich kaum noch Jugendliche mit Engagement für diesen Beruf gefunden“, bedauert sie. „Ich mag es nicht, wenn Azubis sich nur am Besen festhalten und keine Neugierde für den künftigen Beruf entwickeln“, meint sie schon etwas verzagt. Koegel hat vier Auszubildende. Er investiert in seine Jugendlichen pro Nase 250 Euro für einen achtwöchigen Besuch einer privaten Berufsschule, um sie fit zu machen.

Auch diese Investition spielt Koegel über die Preise herein. „Für Waschen, Schneiden, Fönen halte ich 50 Euro für angemessen.“ Er weiß, dass das nicht viele Frauen gewillt sind zu zahlen. Nach einer Umfrage sind Frauen lediglich bereit, rund 32 Euro zu berappen. „Leistung hat aber ihren Preis“, findet Koegel und weiß die Gewerkschaft Verdi hinter sich. Die will einen einheitlichen Tarifvertrag durchsetzen und damit auch Druck auf die Kunden machen. „Letztlich geht es um fairen Lohn für echte Arbeit“, findet er. (mz)