Jahreswechsel in Weißenfels: Jahreswechsel in Weißenfels: Prosit auf dem Glockenturm der Stadtkirche St. Marien

weissenfels - Feiern im feinen Zwirn und dem kleinen Schwarzen in einem prächtigen Saal voller Menschen bei Musik und Tanz? Das klingt nach einer stimmungsvollen, feucht-fröhlichen Silvesterparty. Doch es ist nicht ihr Ding. Deshalb begrüßen Doreen und Carmen Busch, Axel Sengewald und Nicola Dabelow aus Weißenfels das neue Jahr im Glockenturm der Stadtkirche St. Marien. „So machen wir das zu Silvester seit vier Jahren“, sagt Doreen Busch.

Dick eingemummelt, bekleidet mit Jeans, Mantel, Mütze und Schal geht es auch diesmal wieder hinauf. Über der kleinen Pforte zum Glockenturm des evangelischen Gotteshauses am Markt der Saalestadt ist die Jahreszahl 1897 in Stein gemeißelt. Bis zum Glockenstuhl sind es genau 144 Treppenstufen, die ersten etwa 30 Stufen sind breit und steinern, die meisten schmal und aus Holz.

In einem schön gezimmerten barocken Kastenglockenstuhl hängen sie an sogenannten Holzjochen - zwei von einst vier Glocken. Um Mitternacht setzt Doreen Busch keine Seilkonstruktion - wie angenommen - sondern einen Kippschalter nach oben in Gang - für die kleinere Glocke. Dann betätigt die 37-jährige Weißenfelserin den Schalter für das größere Geläut. Nur zwei Handgriffe folgen nacheinander, um die Glocken zum Klingen zu bringen. Es hört sich gewaltig, barock, feierlich, erhaben an, zehn Minuten, nicht länger. Aus Sicherheitsgründen, wegen der Statik, erklärt die Musiklehrerin und Sängerin.

Während sie weitere 15 Stufen nach oben in Richtung Austritt klettert, wird die Glöcknerin dort schon von ihrer vier Jahre jüngeren Schwester und den beiden Freunden erwartet. Auf der Balustrade steht nun ein glückliches Quartett in Begleitung der MZ. Es lauscht dem festlichen Glockenklang und genießt die Aussicht auf den hell erleuchteten Marktplatz. Raketen steigen knallend und zischend in den Himmel, es regnet goldene und silberne Fontänen. Dann wird es ganz bunt, wechseln die Farben von rot in gelb und grün. Menschen jubeln, liegen sich in den Armen, tanzen und feiern ausgelassen auf dem Markt vor dem griechischen Restaurant, das einmal das „Café Centra“ war. Die Freunde stoßen mit Sekt in luftiger Höhe an, umarmen sich, wünschen einander Gesundheit und Glück, alles Gute für 2015.

Es ist wie immer - fast. Denn diesmal feiert Nicola Dabelow mit. Die 38-Jährige hat über die Feiertage und zum Jahreswechsel Urlaub bekommen. „Auf unseren gemeinsamen Silvesterabend in der Heimat habe ich mich lange gefreut“, sagt die Frau aus der Computerbranche. Da werde zusammen gekocht und geschwatzt. „Ich mag es gemütlich, in kleiner Runde zu feiern, mit Tischfeuerwerk und Bleigießen und - man muss nicht Angst haben, dass einem die Böller in den Kragen fliegen“, meint Nicola Dabelow. Nur zweimal im Jahr komme sie von Tschechien nach Weißenfels, um ihre Eltern zu besuchenund Freunde zu treffen. Dies sei meistens zum Schlossfest und zum Jahreswechsel so, plaudert die frühere Deutschlehrerin, die nun bei einer Computerfirma in der tschechischen Hauptstadt Prag beschäftigt ist.

Auch Diplomingenieur Axel Sengewald, der als Elektro-Planer arbeitet und mit seiner Freundin Carmen Busch in Weißenfels zu Hause ist, könne sich keine bessere Silvesterfeier vorstellen. „Es ist toll hier oben, im engen Freundeskreis auf der Balustrade das Feuerwerk zu erleben, dabei ganz in Ruhe den Ausblick zu genießen und noch ein paar Fotos zur Erinnerung zu machen“, schwärmt der 32-Jährige. „Es ist Entspannung pur, wo gibt es so was schon, das ist einmalig. Allein deshalb will ich unsere kleine Tradition auf keinen Fall missen“, fügt er hinzu. (mz)