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Interview mit Dieter Gorzki Interview mit Dieter Gorzki: Herr Leckermäulchen geht

28.12.2015, 19:03
Die Leckermäulchen sind Dieter Gorzkis Lieblingskinder.
Die Leckermäulchen sind Dieter Gorzkis Lieblingskinder. Peter Lisker Lizenz

Weissenfels - Dieter Gorzki (65) ist ein Mann mit gutem Geschmack. Und bei ihm lässt sich über den nicht streiten: Er hat das Leckermäulchen fünf Jahre nach der Einheit zurückgebracht. Wie dessen Wiedereinführung aber beinah an einer Marktanalyse gescheitert wäre und wie 1990 aus dem Weißenfelser Molkereibetrieb das frischli-Werk wurde, erzählt der scheidende Geschäftsführer im Gespräch mit Julia Reinard.

35 Jahre sind Sie an der Spitze des Weißenfelser Molkereibetriebs, 25 frischli-Geschäftsführer. Jetzt hören Sie auf. Geht das überhaupt?

Gorzki: Ja natürlich! Wobei: Ein unmittelbares Aufhören ist es ja nicht. Ich werde weiter Landwirte und Kontakte betreuen. Nur in der Geschäftsführung höre ich am 31. Dezember auf.

Wenn Sie zurückblicken: Was waren die schwierigsten Momente?

Gorzki: Die Umbruchsituation 1990. Da musste sich alles neu finden.

Wie war damals die Situation?

Gorzki: Wir gehörten zum Molkereikombinat Merseburg. Und die Kombinatsleitung wollte alle Produktionsstandorte erhalten. Ich war aber der Überzeugung, dass das auf keinen Fall gehen kann, nachdem ich es mir in Westdeutschland angeguckt hatte. Außerdem waren die westdeutschen Molkereien uns technisch weit voraus. Unsere Technik war von Mitte 60er Jahre. Und die Molkereiunternehmen waren aus unserer Sicht auch viel größer.

Was haben Sie unternommen?

Gorzki: Wir haben gesagt, wir machen in dem neuen Kombinat Merseburg nicht mit. Wir versuchen eine eigenständige Weißenfelser Molkerei zu etablieren. Und das können wir mit einem markterprobten Partner.

Wie haben Sie den gesucht?

Gorzki: Ich war zum Beispiel in Hof. Der Molkereidirektor sagte mir: Er will gar nicht nach Weißenfels kommen, er kennt die Technik der DDR-Betriebe. Das ist alles Schrott. Hof liegt 120 Kilometer von Weißenfels entfernt. Er gibt zwei Milchsammelwagen, ich werde sein Stellvertreter, nehme zehn Leute mit und wir machen die dritte Schicht dort auf.

Warum sind Sie nicht darauf eingegangen?

Gorzki: Ich hatte nicht in Gedanken, dass ich hier weggehen sollte. Für mich war im Hinterkopf: Wenn ich hier scheitern würde mit meinen Visionen, dann muss ich nach Westdeutschland gehen, um dort zu arbeiten. Ich hatte aber keine Angst, dass ich da nichts bekommen würde. Ob ich gleich Geschäftsführer geworden wäre? Eher nicht. Dann wäre ich eben Produktionsleiter oder Abteilungsleiter der Joghurt-Abteilung geworden.

Wie haben Sie die Leute von frischli kennengelernt?

Gorzki: Ich war in Hannover bei der Milchwirtschaftlichen Vereinigung, wo sich der niedersächsische Landesverband Milchwirtschaft präsentierte. Und da saß auch Herr Holtdorf senior. Er war damals 60, ein toller Mann. Der hat mir gefallen. Alle erzählten, wie sie die Milchwirtschaft organisiert haben. Er sagte am Schluss: Es gibt auch private Firmen. Ich vertrete hier die Privaten. Mehr hat er nicht gesagt. Das imponierte mir. Ich sagte: Wie könnte man sich mal vorstellen? Da meinte er: Am besten, Sie laden mich ein, dann komme ich Sie besuchen. Eine Woche später war er da. Und noch vor dem 1. Juli 1990 haben wir den Vertrag gemacht.

Lieferten Sie ab dem Tag zu frischli?

Gorzki: Wir haben vorher schon begonnen. Die mussten ja auch sehen, auf wen und worauf sie sich einlassen. Sind wir zuverlässig? Wie funktioniert das? Das ist eine kurze, aber intensive Lernphase gewesen.

Wissen Sie noch, wann das war?

Gorzki: Ja, das begann im April 1990.

Das sind zwei Monate bis zur Unterschrift!

Gorzki: Diese Schnelligkeit war nötig. Das wäre sonst nicht gut gegangen.

Ihr größter Wurf war, Leckermäulchen 1995 wieder auf den Markt zubringen. Wie überzeugten Sie die Männer von frischli von etwas, das die bis dahin gar nicht kannten?

Gorzki: Das war ein bisschen schwieriger. Sie hatten einen Marketingleiter, der eine Studie machen sollte, ob frischli mit Fruchtquark erfolgreich sein könnte. Ergebnis: Wir können da nicht erfolgreich sein. Ich glaubte aber, dass er das nicht richtig eingeschätzt hat, zumindest nicht für Ostdeutschland. Das habe ich auch gesagt. Außerdem gab es den glücklichen Umstand, dass ein Einkäufer vom damaligen Kondi, den ich aus den 80er Jahren kannte, sagte: Mensch, wir brauchen dringend mal wieder ein Ostprodukt. Mach doch mal Leckermäulchen, das war so gut! Ich sagte: Du musst mal mit mir mitkommen. Ich bin mit ihm nach Rehburg in Niedersachsen ins frischli-Stammwerk gefahren und sagte: Hier ist übrigens auch ein Kunde, der meint, es wäre gut, wenn wir das tun. Aufgrund dieses Besuchs gab es dann noch mal ein Umdenken.

Sind Sie damals in Läden gegangen und haben geguckt, ob es jemand im Wagen hat?

Gorzki: Das habe ich auch getan. Und das mache ich heute noch.

(mz)