Homosexualität Homosexualität: Schwules Pärchen wünscht mehr Akzeptanz
WEISSENFELS/MZ. - "Ich hab' Dich so lieb, wie Du bist." Als Philipp das im Alter von 20 Jahren von seinem Vater hörte, fiel ihm ein Stein vom Herzen. Denn damit wusste er trotz seiner Homosexualität die ganze Familie weiterhin hinter sich. Es war ihm der schwerste Schritt, sich zu Hause zu offenbaren, gesteht der heute 26-Jährige ein. Und in die Öffentlichkeit wollen er und sein Partner bis heute nicht mit der ganzen Wahrheit, weil die zu unterschiedlich auf schwule Paare reagiere. So verstecken sich Philipp und Julian hier noch hinter von der Redaktion erfundenen Namen.
Die Angst, Schwierigkeiten auf Arbeit zu bekommen und nicht mehr wie gewohnt akzeptiert zu werden, kämpft gegen das Selbstbewusstsein der jungen Leute, über ihr Leben in einer Männerbeziehung zu sprechen. "Uns hat Gott so geschaffen", sagt Philipp.
Erst einmal hätten sie selbst das akzeptieren müssen, erinnert sich Julian, der im Alter von 19 Jahr auch einmal kurzzeitig eine Freundin und mit der sogar Sex hatte. Philipp verbrachte mehrere Jahre seiner Jugend in weiblicher Begleitung - doch nicht mehr, als er die Pubertät überwunden hatte. Da zog es ihn zu Männern und dafür erst einmal in die Anonymität der Großstadt. Dort habe er Glück gehabt, auf richtige Freunde zu treffen, die ihn beschützten und davor bewahrten, "Freiwild" in der Szene zu werden, erzählt er. Denn während die klassisch gepolten Jugendlichen sich mit den Eltern über Liebe, Freundschaft und Sexualität ungehindert austauschen könnten, sei das Schwulen kaum möglich. Schließlich kenne man die Erwartungen, haben die Eltern ihnen ja eigentlich ein anderes Leben vorgelebt. Man habe das Gefühl, sie zu enttäuschen, gesteht Julian ein.
Er sieht sich im Rückblick als Partygänger, immer auf Achse und unter Menschen, es selbst nicht wahrhaben wollend, dass er schwul ist. "Meine Freunde wussten eher als ich, was mit mir los ist. Ich hätte nicht geglaubt, dass sie so positiv reagieren, wenn ich ihnen Philipp als meinen Partner vorstelle", freut er sich, dass sie ihm stets Freunde geblieben sind.
Über eine Kontaktanzeige auf der Blauen Seite im Internet haben sich die beiden jungen Männer Anfang 2011 in Weißenfels gefunden. Die Bilder hätten eine große Rolle gespielt, die Ausstrahlung. Doch Julian war vorsichtig. Er gab erst spät sein Aussehen preis und begründet mit seiner Schüchternheit, warum er Philipp die Initiative überlassen hat. Man schrieb sich locker über das Wetter, über die Arbeit, darüber, was einem gefällt und was nicht. . .
Als Philipp beim ersten Treffen die Schmetterlinge im Bauch spürte, steuerte er sein Ziel an. Doch beinahe hätte er sich um den ersten Kuss gebracht, war er doch wiederholt in Arbeitskleidung beim Rendezvous erschienen, was Julian als Missachtung seiner Person aufstieß. Trotzdem haben sie binnen eines Vierteljahres zusammengefunden, sich zwei Monate später eine Wohnung eingerichtet, von der aus sie den Blick über die Dächer von Weißenfels gemeinsam genießen. Dabei gab es auch Streits und Verstimmungen, wie wohl in jeder Beziehung. "Wir sprechen drüber, wenn wir merken, dass da was nicht stimmt", nennt Julian des Rezept einer guten Beziehung. Auch Eifersucht hätten sie schon ausräumen müssen. Julian schluckt seinen Ärger immer erst einmal, während Philipp lospoltert. "Wir geben uns beide nicht so einfach auf", bekennt Julian ohne Widerspruch zu ernten, dass sie um ihre Verbindung nun schon kämpfen würden.
Nicht nur Freude, auch Probleme teilen sie. Sie verdienen in ihren Berufen wenig. Julian bekam bisher noch Hartz-IV-Leistungen für die Wohnung. Nachdem das Jahr der Lebens- und Entstehungsgemeinschaft vorbei ist und die jungen Männer als Bedarfsgemeinschaft zählen, zahlt das Jobcenter nicht mehr für die Wohnung. Philipp hat zudem aus einer gescheiterten Beziehung zuvor große Schulden mitgebracht.
Während der eine von einem Hund zur Vervollständigung des Glücks träumt, sehnt sich der andere nach einer Familie mit Kind. Vielleicht sogar ein Häuschen, etwas ausbauen auf dem Land. . . Noch scheint die Zeit nicht reif, solche Lebensziele anzuvisieren. Die Männer freuen sich über gemeinsame freie Wochenenden, unternehmen dann, was das Geld zulässt, gehen mal ins Kino oder zur Party, mal zu den Eltern, mal zu Freunden, oft auch in die Natur.
In der Regel nimmt an ihnen als Paar niemand Anstoß. "Allerdings provozieren wir auch nicht gerade mit Küssen in der Öffentlichkeit", zeigt Philipp, dass er die Gefahren kennt. Einmal seien sie trotzdem in eine Schlägerei verwickelt worden, weil sie als Schwule erkannt wurden, erzählt er. Er berichtet auch von Gewalt in schwulen Beziehungen, wo einer zeigen muss, dass er der Stärkere ist. Das erinnert an Mann-Frau-Beziehungen, aus denen die Frauen nur über das Frauenhaus herauskommen.
Es scheint sehr normal, wie Philipp und Julian leben. Nur hat ein Teil der Öffentlichkeit noch nicht akzeptiert, dass Menschen auch homosexuell sind, bedauern die Männer. Über die Halbherzigkeit der Politik regt sich Philipp angesichts der Steuerungerechtigkeit zwischen hetero- und homosexuellen Paaren auf.