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Gericht Gericht: Bewährung für den Fluchtfahrer

Von Jan Iven 12.08.2015, 19:20
Der Tatort in Lützen.
Der Tatort in Lützen. Michael Thomé Lizenz

Lützen/Halle - „Das ist ein Warnschuss, kein Freispruch“, sprach die Richterin am Landgericht Halle dem Angeklagten nach der Urteilsverkündung noch einmal ausdrücklich ins Gewissen. Der 19-Jährige war gestern der Beihilfe zur räuberischen Erpressung für schuldig befunden und zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden.

Er hatte im Juni 2014 einen 16-jährigen mutmaßlichen Haupttäter zu einem Überfall auf eine Lützener Tankstelle gefahren. Dort soll der Jugendliche, gegen den später ein gesondertes Verfahren eröffnet wird, den Kassierer mit einer Pistole zur Herausgabe von 600 Euro gezwungen haben. Nach der Flucht mit dem Auto hat der Fahrer allerdings selbst die Polizei gerufen und ein umfassendes Geständnis abgelegt. Von der Beute hatte er außer Benzingeld nichts bekommen.

„Der Angeklagte hat massive Beihilfe zu der Tat geleistet, da er auch die Luftdruckpistole und die Sturmmaske für den Überfall besorgt hatte“, betonte die Richterin. Zu seinen Gunsten wog allerdings sein umfassendes und rückhaltloses Geständnis. Zudem konnten bei ihm keine grundsätzlichen schädlichen Neigungen festgestellt werden. Vorstrafen hatte er keine.

Die Jugendgerichtshelferin hatte ihm allerdings ein völlig falsches und jugendliches Verständnis von Freundschaft bescheinigt. „Er wusste genau, dass die Fahrdienste falsch waren. Trotzdem hat er seinem Freund geholfen“, so die Sachverständige. Denn der Haupttäter soll dringend Geld benötigt haben, um seine Schulden zu bezahlen.

Sehr viel härter fiel das Urteil hingegen gegen einen 20-jährigen Mitangeklagten aus. Und das, obwohl der junge Mann während des Überfalls nur auf der Rückbank des Wagens gesessen haben soll und in erster Line moralische Unterstützung beisteuerte. Trotzdem wurde er zu einer Jugendstrafe von insgesamt fünf Jahren verurteilt. Denn aus einschlägigen Vorstrafen hatten sich bereits vier Jahre Jugendstrafe angesammelt.

So wurde er bisher für 13 Straftaten verurteilt, darunter Körperverletzung, Diebstahl und sexueller Missbrauch. In den vergangenen Jahren war er mit mehreren Komplizen immer wieder in Gartenlauben und Geschäfte in Weißenfels eingebrochen. Darunter waren auch ein Sportgeschäft und ein Handy-Shop in der Jüdenstraße sowie die Weißenfelser Tafel und ein Bootshaus an der Saale. Dabei wurden Waren und Bargeld im Wert von mehreren Tausend Euro erbeutet. Bei einem Überfall hatte der Angeklagte ein Opfer mit einem Messer verletzt. Zudem hatte er in der Vergangenheit ein fünfjähriges Mädchen sexuell missbraucht. Zu einer Beteiligung an dem Überfall auf die Tankstelle in Lützen schwieg er allerdings, auch wenn er von dem Fahrer belastet wurde.

Wenige Tage nach den Vorfall hatte der vorbestrafte Angeklagte zudem einen jungen Weißenfelser auf offener Straße ausgeraubt - und das gleich zweimal am selben Tag. Dabei erbeutete der Angeklagte von seinem Opfer unter Androhung von Gewalt fünf Euro sowie ein Mobiltelefon. „Das war kein Gegner für Sie, das war einfach nur unfair und gemein“, sagte die Richterin. Denn der Geschädigte benötigt für die Bewältigung seines Alltages teilweise die Unterstützung eines Betreuers. Der Angeklagte räumte die Taten ein und entschuldigte sich beim Geschädigten.

Die Jugendgerichtshelferin attestierte dem Angeklagten zudem schädliche Neigungen sowie Lern- und Entwicklungsdefizite. Außerdem hatte er in der Vergangenheit intensiv Drogen wie Crystal Meth und Haschisch konsumiert. Die Gutachterin empfahl die Anwendung des Jugendstrafrechtes. „Ich kann ihnen nur den Tipp geben, dringend ihr Leben zu ändern“, sagte die Richterin zu dem Angeklagten. So solle er während der Haft eine Ausbildung machen.

Im Prozess gegen die beiden Mittäter war auch der jüngere mutmaßliche Haupttäter, der bereits in Haft ist, als Zeuge vorgeführt worden. Er verweigerte allerdings die Aussage. Gegen ihn wird demnächst ein Verfahren am Amtsgericht in Weißenfels eröffnet. (mz)