Frisör-Salon in Langendorf Frisör-Salon in Langendorf: Straßenkind wird Meisterin

Langendorf - Knallrotes Kleid, schwarze Pumps, zahlreiche Tätowierungen am ganzen Körper und eine scharfe Schere in der Hand - so ist Susanne Richter in ihrem Frisör-Salon in Langendorf anzutreffen. Schnell wird klar: sie ist anders. „Aber ich mag mich so“, sagt die 32-Jährige und lacht.
Seit Anfang dieses Jahres besitzt sie den Frisör-Salon. Er spiegelt ihre Persönlichkeit wieder. Knallrote Wände, nostalgische Spiegel, ein alter Zahnarzt- und Barbierstuhl sind gekonnt gemischt mit modernen Elementen. Zwischen den Möbeln hängen beeindruckende Fotografien und Zeichnungen. Sie sind ebenfalls unter der Hand von Susanne Richter entstanden. Die junge Mutter ist vielschichtig, aber vor allem vielseitig. Es ist kaum zu glauben, dass sie mal ein Straßenkind war. Aber der Reihe nach.
Turbulente Lebensgeschichte
Sie ist angekommen - in ihrem Salon, aber auch bei sich selbst. Dabei ist ihre Lebensgeschichte turbulent. „Ich wäre aber sonst nicht der Mensch, der ich bin“, ist sie sich sicher. Das nicht alles gut gelaufen ist, sagt die junge Frau daher geradeheraus. „Letztendlich habe ich mir immer selbst wieder herausgeholfen. Heute bin ich mit mir selbst im Reinen“, so ihr Fazit und sie schaut zurück.
Susanne Richter wächst in Weißenfels auf. Es ist eine normale Kindheit. Die Probleme kommen mit der Pubertät. Die junge Frau fühlt sich von ihren Eltern eingeengt. Die Situation wird immer angespannter. Das erzählt die Frisörin mit den feinen Gesichtszügen.
Ihre Freunde dürfen am Wochenende so lange draußenbleiben, wie sie wollen - Susanne Richter nicht. Sie weiß zu dieser Zeit noch nicht, dass es ihre Eltern nur gut meinen. Sie selber sucht beim Jugendamt Rat. Es versucht zu vermitteln. Zum damaligen Zeitpunkt führt aber auch professionelle Hilfe nicht zum Ziel. Susanne Richter lernt zur gleichen Zeit andere junge Menschen kennen. Menschen, die auf der Straße leben. Dort fühlt sie sich zugehörig. „Und so wurde ich in Weißenfels zu einem Straßenkind“, sagt sie ganz nüchtern. Anfangs macht das Spaß. Susanne Richter genießt die Freiheit. Sie kostet jede Minute aus.
Es muss sich etwas ändern
Nach und nach verkleinert sich die Gruppe. „Irgendwann habe ich mit meinen zwei Decken alleine in dem abbruchreifen Haus an der Beuditzstraße gesessen“, blickt sie zurück. Leichter wird es nicht, als die zu dieser Zeit 16-Jährige schwanger wird. Zum Glück ist der Kontakt zum Jugendamt geblieben. Regelmäßig bekommt sie Besuch. Den Mitarbeitern bleibt ihr Zustand nicht verborgen. Sie drängen das junge Mädchen, in ein Heim zu ziehen. Susanne Richter weiß, dass sich etwas ändern muss. Sie willigt ein und findet dort ein neues Zuhause.
Im August 2000 wird ihre Tochter geboren. Mit Unterstützung der Mitarbeiter lernt die junge Mutter ihre neuen Aufgaben. Die tiefe Liebe zu ihrer Tochter muss ihr niemand beibringen. Die ist bereits entflammt, als sie das winzige Baby das erste Mal in den Arm gehalten hat. Der Wunsch nach einer eigenen Wohnung wird immer größer. Endlich können Mutter und Tochter ihre vier Wände beziehen.
Susanne Richter nimmt ihr Leben wieder in die Hand. Sie beginnt eine Lehre in einem Grafik- und Design-Unternehmen in Naumburg. Zur gleichen Zeit nähern sich ihre Eltern und sie wieder aneinander an. Beide Seiten merken, dass sie Fehler gemacht haben. Nach der Ausbildung spürt Susanne Richter, dass ihr beruflicher Werdegang noch nicht zu Ende ist. Sie möchte nun Archäologin werden. Heute muss sie darüber lächeln. „Ich fand Indiana Jones toll“, gibt sie zu. Für das Studium braucht sie Abitur und das fängt sie im Goethe-Gymnasium in Weißenfels an. In Folge schließt sie die Qualifikation mit der Fachhochschulreife an den Berufsbildenden Schulen ab.
Den Gedanken freien Lauf lassen
In der Zeit hat das Interesse, in die Fußstapfen des Filmhelden zu treten, nachgelassen. „Ich wollte dann mal lernen, wie das mit dem Haareschneiden geht“, sagt sie. Also beginnt die dynamische Frau eine weitere Lehre. Zur gleichen Zeit fängt sie an zu malen. Erst sind es Bilder, die sie nach Vorlage abzeichnet. Später kommen Porträts hinzu. Bemerkenswert ist es dabei, wie die junge Frau die charakteristischen Linien der Gesichter herausarbeitet. Dabei gibt sie sich bescheiden. „Das hatte ich mir viel schwerer vorgestellt“, sagt sie.
Außerdem nimmt die Weißenfelserin immer öfter ihre Kamera in die Hand und fotografiert. Auch dabei beweist sie Talent, ebenso wie im Kreieren von verschiedenen Tattoo-Vorlagen. „Ich bin da ein Freigeist“, vermutet Susanne Richter. Vor allem abends nach der Arbeit kuschele sie sich mit Papier und Stift in ihr Bett und lasse ihren Gedanken freien Lauf.
In den letzten Monaten der Ausbildung hört sie, dass in Langendorf eine Nachfolgerin für einen Salon gesucht wird. Sie wird vorstellig und ihre eigene Chefin. Seitdem drückt die Frau wieder die Schulbank. „Ich muss Meisterin sein, wenn ich das Geschäft führen will. Ich bin angekommen“, sagt sie. (mz)