Fachkräftemangel im Burgenlandkreis Fachkräftemangel im Burgenlandkreis: Bäckerei schließt nach 115 Jahren - der Ofen ist aus

Hohenmölsen - Es sind die letzten Frühstücksbrötchen, die heute in Taucha, dem grünen Pavillon am Rand des Zorbauer Gewerbegebietes und im Geschäft in der Goethestraße von Hohenmölsen über die Ladentische gehen. Der Ofen ist aus - Bäcker Ronny Barthold schließt. Auf Schildern, die in den Geschäften ausgelegt sind, dankt er seiner treuen Kundschaft. „Natürlich werde ich auch woanders Brötchen bekommen, aber hier stirbt eine Tradition“, meint eine ältere Tauchaerin, die traurig das Geschäft in ihrem Dorf verlässt.
Als das Unternehmen vor zwei Jahren seinen 110. Geburtstag feierte, sah Ronny Barthold schon schwarz. „Ich bin der letzte Mohikaner“, prophezeite er damals und sieht sich nun in diesen schweren Stunden in seiner Einschätzung bestätigt. Die Verzweiflung ist ihm anzusehen. Er ist müde und krank. Und er hat keine Leute mehr. Zwei seiner wertvollen Mitarbeiter in der Backstube gehen in Rente. „Nachwuchs ist einfach nicht in Sicht. Ich habe Werbung geschaltet, was mich natürlich Geld kostet und habe mich übers Jobcenter bemüht. Nichts, rein gar nichts. Keiner hat auf das Jobgesuch angerufen oder sich mal vorgestellt.“ Hilflosigkeit spricht aus den Worten des 46-Jährigen, der am Ende ist.
1989 hatte der Familienvater seinen Werkzeugmacherberuf an den Nagel gehängt und war beim Vater Friedrich in den Tauchaer Familienbetrieb eingestiegen. Er eignete sich vieles an und übernahm die Bäckerei 1998, die sechs Mitarbeitern Arbeit gibt. Täglich wurden hier rund 3 000 Brötchen, 300 Brote und zahlreiches Kleingebäck und Kuchen gebacken. Das habe sich auch nicht reduziert, als in Hohenmölsen das Backhaus Hennigs einzog. Für die Kindertagesstätte „Bienenkörbchen“ war die Bäckerei in der Adventszeit ein guter Anlaufpunkt gewesen. Barthold öffnete gern seine Backstube für die Knirpse zum Plätzchenbacken.
Viel habe sich verändert, bilanzieren die Bartholds. Fast jeder Discounter habe einen eigenen Backwarenstand, in den Kaufhallen gebe es zudem auch noch frische als auch gefrostete Backwaren. Hinzu komme, dass der Bäckerberuf ganz offensichtlich an Attraktivität verloren habe. „Wer will denn schon nachts arbeiten?“, fragt Friedrich Barthold, der mit seinen fast 80 Jahren immer noch im Laden steht und dem Team zur Hand geht. Zu all dieser misslichen Situation komme, dass die Stammkundschaft langsam wegsterbe.
Die Handwerkskammer Halle bestätigt die negative Situation im Bäckerhandwerk, die schon seit Jahren anhält. „Für Nachwuchskräfte ist der Bäckerberuf mit seinen Arbeitszeiten und der körperlich fordernden Arbeit leider derzeit wenig attraktiv“, sagt Jürgen Rogahn, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer auf MZ-Nachfrage. Ronny Barthold ist zu verzweifelt, um über klare Konturen zu sprechen, wie es weiter gehen soll. Fest steht, dass für das Geschäft in der Hohenmölsener Goethestraße der Mietvertrag per Ende Juli gekündigt ist. Für den Pavillon in Zorbau gebe es bereits Kaufinteressenten. „Vielleicht mache ich mal in Taucha allein weiter, wenn sich ein Bäcker findet, der mit einsteigt. Heute glaube ich nicht daran, dass das geschieht. Ich zahle zwölf Euro die Stunde, aber offensichtlich zieht nicht mal das“, meint er und wendet sich ab. Er hat Tränen in den Augen.
(mz)
