Erster Weltkrieg Erster Weltkrieg: Fotomontage vor 100 Jahren

Weißenfels - Normalerweise hängt man den Brief mit einer Todesnachricht nicht an die Wohnzimmerwand. Aber wenn er Teil der Familiengeschichte ist und die Lebenden nicht schmerzt, dann vielleicht schon. Im Fall von Anneros Weise trifft das zu: Die Nachricht vom Tod ihres Großvaters Willi Hahnemann im Krieg 1915 hängt an der Wand – neben zwei bemerkenswerten Bildern aus dieser Zeit.
Bei einem Bild handelt es sich um eine Fotomontage, die Willi Hahnemann in drei verschiedenen Uniformvarianten als Schütze, damals Füssilier genannt, zeigen. „Die Köpfe sind echt“, sagt Anneros Weise. Beim Nähertreten erkennt man, was sie meint: Hier wurde der Kopf eines jung wirkenden Mannes auf ein offenbar vorgefertigtes Bild geklebt. Wahrscheinlich erhielt jeder Soldat des Landwehr-Infanterie-Regiments 72 solch ein Plakat.
Das zweite Bild ist eine Grafik, die einen Todesengel über einem gefallenen Soldaten zeigt. Ein Bibelspruch steht darüber, darunter findet sich der Satz: „Zum Gedächtnis des Wehrm. Willy Hahnemann. 6. Kompagnie Landwehr-Infanterie-Regiment 72. Er starb fürs Vaterland am 4. August 1915.“ Wer genau hinsieht, kann einen Unterschied der Schriften erkennen. Offenbar wurden auch diese Plakate vorgefertigt, Name und Todestag dann eingetragen. In diesem Fall erhielt Willy auch ein Y am Namensende, nicht ein I.
Vor 100 Jahren war der Erste Weltkrieg ein Jahr alt. Man glaubte in Deutschland noch an einen Sieg. Gleichwohl waren bereits Hunderttausende in den Kämpfen im Osten und Westen gefallen.
Gewiss gibt es in mancher Familienchronik oder in Fotoalben Erinnerungsstücke an diese Zeit. Wenn Sie – wie Anneros Weise – Ihre Geschichte oder Bilder teilen wollen, melden Sie sich einfach. Die Redaktion ist erreichbar unter Telefon: 03443/33600810 oder E-Mail: [email protected]
So steht es zumindest im Brief mit der schlimmen Botschaft, den Willis damals 32-jährige Ehefrau Emma Hahnemann erhielt. Die Nachricht wurde in Maiejowice, einem Ort im heute östlichen Teil Polens, aus dem Feldlazarett geschrieben, ist dem Absender zu entnehmen. Drei längere Sätze schreibt ihr der „Feldlazarett. Inspektor“. Der traurigste macht den Anfang: „Leider muß ich Ihnen die traurige Mitteilung machen, daß Ihr Mann ... an einem Brustschuß den Heldentod für das Vaterland gestorben ist.“ Er habe ein Grab mit Kreuz und Inschrift auf dem Kirchhof in Maiejowice erhalten. Außerdem werde ihr sein Nachlass zugesandt.
Für Anneros Weise sind die drei Dokumente spannende Familiengeschichte, die sie ohne Trauer anschauen kann. Ihren Großvater hatte sie nicht mehr kennengelernt. Ihre Großmutter Emma Hahnemann dagegen schon. Die starb erst, als Anneros Weise 22 Jahre alt war. Und so erinnert sie sich an sie als eine „nette Oma. Aber eine, die gelernt hat, zu arbeiten.“
Das verwundert nicht, schließlich war Emma Hahnemann seit der furchtbaren Nachricht Witwe mit zwei Kindern. Sie erzog den neunjährigen Kurt – der spätere Vater Anneros Weises – und dessen jüngere Schwester Anni allein. Sie habe nie wieder geheiratet, erinnert sich die Enkelin. Stattdessen arbeitete sie in der Schuhindustrie. Sie baute ein Haus in Langendorf auf einem Grundstück, das sie kurz nach dem Tod ihres Mannes erworben hatte.
Bei Emma Hahnemann hingen die Plakate nicht an der Wand. Und auch Anneros Weise hat sie erst bei einem Umzug in den elterlichen Unterlagen gefunden, sagt sie. „Die lagen zusammengerollt im Schrank.“ Seitdem sie aber an der Wand hängen, sorgen die Dokumente für interessierte Nachfragen. „Dafür haben mir Leute schon Geld geboten“, erzählt Anneros Weise. Verkaufen wolle sie sie jedoch nicht. Anders sähe es mit einer Ausstellung aus – dem Weißenfelser Museum würde sie Bilder und Nachricht für eine Schau zur Verfügung stellen. (mz)
