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Eklat Eklat in Leißling: Einkaufscenter "Schöne Aussicht" lässt Kunstausstellung ohne Gründe entfernen

Von Klaus-Dieter Kunick 20.08.2016, 06:00
Ronald Knoll muss einpacken: Am Freitagvormittag holte er alle seine Kunstobjekte aus dem Einkaufszentrum Leißling ab.
Ronald Knoll muss einpacken: Am Freitagvormittag holte er alle seine Kunstobjekte aus dem Einkaufszentrum Leißling ab. Michael Thomé

Leißling - Was sich im Einkaufscenter „Schöne Aussicht“ in Leißling derzeit abspielt, dürfte in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten geradezu einmalig sein: Eine Ausstellung wird aus offenbar politisch motivierten Gründen abgebrochen, soll heißen, der Naumburger Metallkünstler Ronald Knoll muss seine Schau, die am vergangenen Dienstag eröffnet wurde, vorzeitig räumen.

Die Centermanagerin Claudia Deller schickte am Donnerstag eine E-Mail an den Künstler, er möge bis Freitag, 18 Uhr, seine Ausstellungsobjekte abholen. Damit ist der zweite Eklat perfekt. Den ersten gab es bereits drei Tage nach der Eröffnung, denn da ordnete die Centermanagerin an, dass zwei Figuren namens „Merkelbot“ und „Die flüchtig Gebärende“ entfernt werden. Begründung: Politische Meinung ist nicht erwünscht.

Hat die Managerin des Einkaufscenters ihr eigentliches Ziel erreicht?

Am Freitagvormittag holte der Künstler alle Werke ab. Warum das von ihm verlangt wurde, dazu gab die Centermanagerin auf eine Nachfrage der MZ keine Antwort. Sie sprach lediglich von „Halbwahrheiten“, die verbreitet würden.

Weitgehend mit Unverständnis wird der vorzeitige Abbau der Ausstellung von Ronald Knoll bei Facebook kommentiert. So schreibt eine Nutzerin, da werde ausnahmsweise mal was Interessantes im Einkaufszentrum gezeigt, was auch junge Leute anspreche und „es wird sofort im Keim erstickt“. „Ich denke mal, hinter der Entscheidung steckt Angst“, heißt es in einem anderen Kommentar. Die Schreiberin meint, dass es Größe gezeigt hätte, die Ausstellung zu unterstützen. In einer weiteren Meinungsäußerung schlägt ein Facebook-Nutzer vor, die Ausstellung an einem anderen Ort, zum Beispiel im Weißenfelser Schloss, zu zeigen. Ein anderer schlägt Nova Eventis in Günthersdorf für einen Neuauflage vor.

Politische Hintergründe werden in einem anderen Kommentar vermutet. Man stehe offenbar der CDU nahe und könne es nicht vertragen, wenn die Kanzlerin kritisiert wird. Geistige Enge und fehlendes Verständnis würden zu solch einer Entscheidung führen, die Ausstellung abbauen zu lassen, heißt es in einem weiteren Kommentar.

Parallel dazu werden in verschiedenen Kommentaren die Auftritte von diversen Schlagersternchen bei Autogrammstunden im Einkaufszentrum kritisiert.

Nach den Gründen des Handelns der Centermanagerin befragt, äußert Ronald Knoll die Vermutung: „Entweder ist es Unwissenheit über Kunst oder sie ist einfach bloß clever.“ Denn mit dem Eklat, den sie verursachte, habe sie zugleich die pure Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ihr Einkaufscenter gelenkt.

Mehr könne man doch als Managerin gar nicht erreichen, als das eigene  Geschäftsfeld in den Blickpunkt der Medien  zu rücken. Zum eigentlichen Kritikpunkt von Claudia Deller an den zwei Figuren habe er nichts hinzuzufügen und gleich gar nichts zurückzunehmen. 

Er bleibe dabei, der „Merkelbot“ sei eine Darstellung der Kanzlerin. Die Pyramide, die den Kopf darstelle, soll die Fremdsteuerung der Politik unseres Landes darstellen, ist einem Schriftstück, das er den Figuren beilegte, zu entnehmen.

Künstler Ronald Knoll mit verschiedenen Botschaften in seinen Kunstwerken

Kunst habe unter anderem die Aufgabe, auf Vorgänge in der Gesellschaft hinzuweisen, um letztendlich aufzuklären.  „Ich sehe es nun mal so, dass alles dafür getan wird, dass niemand die Grundsätze der Machtpolitik dieser Welt erfährt“,  sagt der Künstler.

Frau Merkel sei nur ein genutzter Politdarsteller oder eben ein programmierter und gut funktionierender Roboter. Bei der Figur „Die flüchtig Gebärende“ sei der Gedanke der Geburt auf der Flucht ein maßgeblicher Antrieb gewesen.

Er bitte die Besucher, diese Figur als „skurril dargestellte Geburt im Stehen“ zu betrachten und wiederholt  seine Frage: „Wie viele Frauen habt ihr bei der Berichterstattung der Flüchtlingsproblematik gesehen?“, und beantwortet die Frage mit den Worten: „Fast gar keine.“

Deutliche Worte gibt es laut Knoll von seinen Freunden und Bekannten. Er habe ausschließlich Zustimmung erfahren. Er sei auf die „künstlerische Freiheit“ hingewiesen worden, die es zu bewahren gelte. Von all den Bekundungen sei er positiv überrascht.  Abbringen lasse er sich von  dem Ereignis in Leißling nicht. 2017 finde die Ausstellung beispielsweise im Turbinenhaus Naumburg, ein Kunst- und Veranstaltungszentrum, statt.

Kunden des Einkaufscenters „Schöne Aussicht“ beziehen Stellung

Während die Center-Managerin nicht mit der Zeitung reden will, sprechen die Kunden mit der MZ. Viele schütteln verständnislos mit dem Kopf und  verstehen die Reaktion von Claudia Deller in keiner Weise.

Helmut Steinhäuser aus Langendorf bringt es kurz und knapp auf den Punkt -„Ich finde das Ganze schäbig“, sagt der 74-Jährige. Es sei eine sehenswerte Ausstellung gewesen. Er könne nur hoffen, dass der Künstler dies gut wegstecke und in seiner Arbeit nicht zurückgeworfen werde. 

Unverständnis äußert zudem Rosemarie Friedrich (77) aus Weißenfels, sie schüttelt ob dieser Vorgehensweise mit dem Kopf. „Das ist schwach“, fügt Heike Zitzmann (52) hinzu. „Es ist Kunst“, ergänzt die Weißenfelserin. Sie finde es schade, dass so mit Künstlern umgegangen werde.

„Nun haben wir den Salat, nach der Diktatur des Proletariats bekommen wir immer stärker die Diktatur des Geldes zu spüren“, ärgert sich ein namentlich nicht genannt sein wollender Weißenfelser. Er räumte zwar ein, dass die Center-Managerin von ihrem Hausrecht Gebrauch machen dürfe,  aber sie habe sich damit einen „Bärendienst“ erwiesen.