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Die Retter von Lobitzsch Die Retter von Lobitzsch: Drama am Storchennest

Von Andreas Richter 10.12.2016, 07:00
Dominik Eichhorn (li.) und Chris Eckardt an jenem Ort, an dem sie die 80-jährige Frau gerettet haben.
Dominik Eichhorn (li.) und Chris Eckardt an jenem Ort, an dem sie die 80-jährige Frau gerettet haben. Peter Lisker

Lobitzsch - Eigentlich sollte es ein entspannter Abend in der Familie werden. Doch was Chris Eckardt zusammen mit seinen Freunden an jenem zweiten Dezembertag dieses Jahres dann erlebte, dürften die jungen Leute ihr Leben lang nicht vergessen.

Es ist bitterkalt an diesem dunklen Winterabend in Lobitzsch, einem abgelegenen Weißenfelser Fleckchen unweit der Saale. Die beiden 19-Jährigen Chris Eckardt und Dominik Eichhorn stehen in der Straße mit dem idyllischen Namen Am Storchennest. Sie warten auf die Mädchen vom Kultur- und Traditionsverein, die sich immer freitags in Lobitzsch zum Tanztraining treffen. „Plötzlich hörte ich ein Stöhnen und bald darauf verzweifelte Hilferufe“, erzählt Chris. Die Geräusche dringen von einem verschlammten Nebenarm der Saale herüber. Das Licht vom Handy reicht Sekunden später kaum aus, um zu erkennen, was sich dort abspielt: Eine ältere Frau steckt bis zum Hals im Wasser. „Ich hab’ die grauen Haare gesehen und da durchzuckte mich nur noch ein Gedanke: Hier musst du helfen“, schildert der junge Mann.

Schleifspur am Ufer auch Tage später noch immer deutlich

Kurzentschlossen steigt Chris den zugewucherten Hang zum Saale-Arm hinab, packt die Frau am Körper, um sie aus Wasser und Schlamm zu ziehen. Währenddessen alarmiert sein Kumpel Dominik Rettungskräfte und Polizei. „Zwischendurch stand ich selbst bis zur Hälfte des Körpers im Schlamm“ erinnert sich Chris. Dominik läuft an das andere Ufer des kurzen Gewässers, um die Frau, deren Kleidung sich mittlerweile mit Wasser vollgesogen hat, und ihren Retter komplett aus dem Schlamm zu zerren. Die Schleifspur am feuchten Ufer wird Tage später noch immer deutlich zu sehen sein.

Inzwischen haben auch die Mädchen im benachbarten Vereinsheim mitbekommen, was da draußen gerade vor sich geht. „Unsere Tanzlehrerin hat gleich eine Rettungsdecke aus dem Auto geholt“, erzählt Anna Schierhorn, die 17-jährige Freundin von Dominik. Zusammen mit einer Freundin läuft sie zum Haus der alten Dame, die allein in Lobitzsch lebt. „Die Tür stand noch offen, das war irgendwie komisch“, schildert sie. Die Ermittlungen der Polizei werden später zu dem Ergebnis kommen, dass die 80-Jährige, die an einer Augenkrankheit leidet, offenbar in einem Zustand der Verwirrung im Dunkeln in das Wasser geraten ist. Es gebe keinen Verdacht auf eine Straftat, so das Polizeirevier Burgenlandkreis auf MZ-Anfrage.

Retter von Lobitzsch: Ich hab’ die Nacht danach kaum geschlafen

Als an jenem Abend Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei eintreffen, sind die jungen Leute erst einmal erleichtert. Flutlicht erhellt den Ort des Geschehens, das wenig später im Dorf und darüber hinaus die Runde macht. Die alte Dame wird ins Krankenhaus nach Weißenfels gebracht. Sie ist vor allem stark unterkühlt. Auf nur noch 32 Grad soll ihre Körpertemperatur gesunken sein, weiß Chris.

„Ich hab’ die Nacht danach kaum geschlafen“, gibt der junge Mann zu. Auch am Tag danach lässt den Auszubildenden das Geschehen vom Vorabend keine Ruhe. Er macht sich auf und besucht die alte Dame im Krankenhaus. „Das ging schon unter die Haut. Sie hat sich bedankt und war noch immer ziemlich aufgewühlt“, erinnert sich der Jugendliche an diese Begegnung. Dass es der Frau mittlerweile wohl wieder besser geht, ist für ihre Retter ein gutes Gefühl. (mz)