Chef ist Verkauf nicht «Wurst»
WEISSENFELS/MZ. - Im Rahmen einer Gemeinschaftsmaßnahme mit der Harzer Blasenwurst GmbH Halle und der Arbeitsagentur schulen acht Frauen und ein Mann aus Sachsen-Anhalt zu Fachverkäufern für Fleisch- und Wurstwaren um.
"Ich will sie alle übernehmen", nennt Sebastian Drexler seine anspruchsvolle Zielstellung. Das klingt wie Musik in den Ohren der Umschüler im Alter von Anfang 20 bis Anfang 40. Doch Voraussetzung ist laut Chef, bis Ende Oktober die Prüfungen erfolgreich zu bestehen.
Drexler ist Geschäftsführer der Harzer Blasenwurst GmbH und führt das Familienunternehmen mittlerweile in der vierten Generation. "Verkäufer ist nicht gleich Verkäufer", weiß der 33-Jährige aus Erfahrung. Die Firma, die einst sein Urgroßvater Oswald gründete, der den Majoran als Wurstkraut noch im eigenen Garten anbaute, hat Drexler erweitert.
35 Mitarbeiter, darunter drei Auszubildende, arbeiten zurzeit im Betrieb, den Großmutter Irmgard mit ihren heute noch angewandten Rezepturen maßgeblich prägte. "Zu sechst sichern wir die Produktion ab. Die Mehrheit unserer Beschäftigten verkaufen unsere Produkte in den neuen Bundesländern", berichtet der Fleischermeister, dem das große Kapitel Verkauf nicht "Wurst" ist.
18 Filialen hat er inzwischen eröffnet und von Magdeburg bis Dresden viel Zuspruch. "Deshalb geht es uns nicht allein um die Wurst, sondern vor allem auch um den Vertrieb samt Verkaufskultur", hebt Drexler als Vorstandsmitglied der Fleischer-Innung Saale-Unstrut hervor. "Und dafür benötigen wir gutes Fachpersonal", merkt er an. Demnächst will er ein Geschäft in Kassel aufmachen.
Bedeka-Geschäftsführerin Sonja Degenkolb unterstützt das Vorhaben. "Weißenfels ist ein Lebensmittel-Industriestandort. Außerdem gibt es auf dem Weißenfelser Wochenmarkt einen Stand mit Harzer Blasenwurst, der sehr gefragt ist", sagt sie und weiß das aus Kundengesprächen. "Wir haben den gleichen Steuerberater, sind über diese Kontakte ins Gespräch gekommen und würden uns freuen, wenn noch mehr junge Leute Lust auf unsere Maßnahme haben", sagt Sonja Degenkolb. Sollten sich genügend Umschüler finden, könnte eine weitere Klasse künftiger Fachverkäufer für Fleisch- und Wurstwaren eröffnet werden. "Der Bedarf ist jedenfalls vorhanden. Wir brauchen gute Leute, die motiviert sind und Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild legen", spricht Sebastian Drexler aus Erfahrung.
Das theoretische Rüstzeug holen sich die Umschüler in Weißenfels, das Praktische in Halle und nach Absprache in den Filialen und mobilen Ständen des Unternehmens Harzer Blasenwurst. Vermittelt werden unter anderem rechtliche Grundlagen des Lebensmittelhandwerks, Warenkunde, Inhaltsstoffe in der Wurst, wie diese abgewogen wird und - wie Leber-, Knackwurst und Leberkäse als Spezialitäten des Unternehmens vor allem an die Kunden gebracht werden.
Babette Juranek (38), Georg Hübner (22), Melanie Tauchnitz und Irene Weber (beide 33), die artverwandte Ausbildungen haben und auf Jobsuche sind, sehen die Umschulung als neue Chance. "Ich will auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen, die Prüfungen bestehen und übernommen werden", hat Irene Weber ihr Ziel vor Augen.