Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Skelettreste geben Rätsel auf
Goseck/MZ. - Der Schädel ist in unzählige Knochen zerbrochen. Die Zähne des Oberkiefers sind ebenso sichtbar wie ein Oberarmknochen. Von Wirbelsäule, Becken, Armen und Beinen fehlt aber jede Spur. Es ist einer der Funde der jetzigen archäologischen Lehrgrabung in der Nähe des Gosecker Sonnenobservatoriums, der mehr Fragen aufwirft, als dass er Antworten gibt.
Schon zu Beginn der Kampagne war immer wieder in einem Feuer gehärteter Lehmbewurf eines Langhauses aufgetaucht. Warum das vor über 7 000 Jahren in Flammen aufgegangen ist, lässt sich nicht mehr beantworten. Und die Frage, ob es sich bei dem Toten um einen erschlagenen Brandstifter handeln könnte, verweist der promovierte Archäologe ins unendliche Reich der Spekulationen. Nicht zu beantworten ist auch, ob es sich um eine Teilbestattung oder um eine Opferung handelt. Für Northe ist da angesichts der geringen Tiefe des Grabes - rund 40 Zentimeter unter der Erdoberfläche -, eher wahrscheinlich, dass das Skelett beim Pflügen zerstört wurde.
Für Lisa Hegewald (21), die jetzt ein Masterstudium an der halleschen Martin-Luther-Universität absolviert, ist das Ganze ebenso spannend. Zuvor hatte sie die erwähnten Lehmbrocken freigelegt. Als dann die ersten Knochen auftauchten, arbeitete sie sich mit Kelle und Pinsel zentimeterweise vor. "Wir haben ja zuvor recht wenig gefunden, da war das schon sehr faszinierend." Daneben ging es für sie um das Erlernen des Grabungshandwerks mit Nivelliergerät sowie Tachymeter zum Einmessen und bis hin zur Dokumentation der Funde auf Millimeterpapier.
Für Anja Müller (20) ist es nicht die erste Grabung, hat sie doch bereits während der Schulzeit in Rheinland-Pfalz beim Freilegen einer Ringwallanlage und einer frühmittelalterlichen Holzburg geholfen. Damals habe sie natürlich nicht solche Einblicke in die Grabungstechniken bekommen und hier nun viele Erfahrungen sammeln können.
Nebenbei hat sie Fragen von Neugierigen beantwortet, die zur Grabungsfläche gekommen waren. Über 60 waren es allein am Tag der deutschen Einheit. Das seien ganz unterschiedliche Leute gewesen. Manche würden sich mit den Steinzeitfunden unter esoterischem Blickwinkel beschäftigen, andere seien einfach nur an Geschichte inte-ressiert. Einige entdeckten die Grabungsfläche beim Besuch des Sonnenobservatoriums, andere hatten davon aus der Zeitung erfahren. Es liege ihr jedenfalls, den Leuten die Jungsteinzeit vor 7 000 Jahren näherzubringen, oder ihnen zu erklären, wie damals die Langhäuser ausgesehen haben und warum die Grabungsfläche in ein Schachbrettmuster eingeteilt ist. Das nämlich erleichtere einerseits die Dokumentation und andererseits die Begehung durch die Archäologen.
Ein Viertel der 400 Quadratmeter großen Fläche kann bis zum Grabungsende am Freitag nicht mehr untersucht werden. Andreas Northe will aber noch die genaue Geologie der eiszeitlichen Schotterterrasse dokumentieren. Die war mit ihrer Neigung für den Zeitverzug verantwortlich, weil im Norden wesentlich mehr Mutterboden bewegt werden musste als im Süden. Zwar deutet die Mehrzahl der Scherbenfunde darauf hin, dass sowohl das Langhaus als auch die Skelettreste von Linienbandkeramikern vor 7 300 Jahren stammen. Doch die Überreste des Gebäudes bleiben vorerst leider unerforscht. Es bliebe für eine Folgegrabung also noch genug zu tun.