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Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Hebammen vor dem Aus

Von klaus-dieter kunick 03.03.2014, 21:50
Die Armhaltung der Hebammen Corina Haupt, Sybille Körner, Birgit Kretzschmar, Jana Schmidtke und Angela Köhler (von links) spricht Bände: Ohne Haftpflichtversicherung dürfen Geburten nicht stattfinden. Passiert nichts, sind die Hebammen 2015 arbeitslos.
Die Armhaltung der Hebammen Corina Haupt, Sybille Körner, Birgit Kretzschmar, Jana Schmidtke und Angela Köhler (von links) spricht Bände: Ohne Haftpflichtversicherung dürfen Geburten nicht stattfinden. Passiert nichts, sind die Hebammen 2015 arbeitslos. Peter Lisker Lizenz

weissenfels/MZ - Sie haben Wut im Bauch: Corina Haupt, Sybille Körner, Birgit Kretzschmar, Jana Schmidtke und Angela Köhler und all die anderen Hebammen. Der Grund ist schnell genannt: Sie fürchten das Ende der Entbindungspflege, weil die Nürnberger Versicherung das Risiko nicht mehr tragen will und aus der Haftpflichtversicherungen für die freiberuflich tätigen Hebammen ab Mitte 2015 aussteigt. Passiert aber nichts, sind im Burgenlandkreis schlagartig 20 Hebammen arbeitslos. Sie dürften nicht mehr arbeiten.

Seit ihrer Selbstständigkeit mussten die Hebammen für die Haftpflicht löhnen, und wie: 2004 waren es 2 000 Euro, 2012 stieg das auf rund 4 000 Euro, nur ein halbes Jahr später dann auf 4 500 Euro. Nun steigen die Kosten der Haftpflicht auf über 5 000 Euro, die sollen die Hebammen pro Jahr für ihre Absicherung im Schadensfall zahlen. Nicht zu schaffen, da sind sie sich einig, wenn ihnen nicht die Weißenfelser Klinik finanziell unter die Arme greift. Aber selbst das wäre nur eine Lösung für ein Jahr. „Kein Handwerker würde im Minus-Bereich arbeiten, wir auch nicht“, ärgert sich Angela Köhler.

Hebammenverband bietet Lösung an

Eine Lösung aus der Misere bietet Petra Chluppka, die Verbandsvorsitzende des Hebammenverbandes Sachsen-Anhalt, an. „Es gibt eine Haftungsobergrenze für Hebammen, die wir gerne bezahlen, wenn sie denn bezahlbar ist. Der Rest könnte dann von einem staatlichen Haftungsfonds übernommen werden.“ Das würde die Haftung für Versicherer kalkulierbarer machen und für die Hebammen die Prämien senken.

Doch der Teufel sitzt im Detail, wie sich zeigt. Die Schäden an Neugeborenen würden laut Nina Martin, Sprecherin des Deutschen Bundesverbandes in Karlsruhe, nicht zunehmen, würden aber immer teurer, weil dank moderner Medizin die Lebenserwartung von schwerstgeschädigten Babys wächst. Doch aus dem Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft kommen ganz andere Töne: „Die Kosten für Geburtsschäden infolge von Behandlungsfehlern sind in den vergangenen Jahren massiv gestiegen.“

Was am Ende zurückbleibt, ist ein Beruf mit hoher Verantwortung und niedriger Bezahlung. 2004 entschieden sich viele Kliniken, die Hebammen „auszulagern“. Festanstellungen, so der bundesweite Trend, lohnen sich betriebswirtschaftlich nur in großen Kliniken mit vielen Geburten. „Wer aber die Geburtshilfe aufgibt, konzentriert sich voll auf Schwangeren-Yoga und ähnliche Angebote“, so Petra Chlupka. Bietet eine Hebamme nur Vor- oder Nachsorge an, müssten nur 315 Euro für die Berufshaftpflicht gezahlt werden.

50 Kilometer bis zum Entbindungsort

„Die neuen Haftpflicht-Beiträge bringen viele Hebammen arg in Bedrängnis“, bestätigt Nina Martin. Zumal sie auch die vollen Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung, die private Krankenversicherung und die Berufsgenossenschaft zahlen müssen.

Die Folge der eingeschränkten Angebote durch freie Hebammen sei, dass Schwangere nur noch in großen Kliniken zum Beispiel in Halle, Leipzig oder Gera entbinden könnten. Laut Krankenkassen ist es für werdende Mütter zumutbar, 50 Kilometer zum Entbindungsort zu fahren. Von daher ist jetzt eine politische Lösung fällig, glauben Angela Köhler und ihre Kolleginnen. Sie wollen mit dem Landtagsabgeordneten Rüdiger Erben und dem Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby (beide SPD), darüber reden.

Sie kann es gar nicht fassen, eines Tages vielleicht ohne Hebamme dazustehen: Nadja Spaeth aus Weißenfels, die kürzlich ihren Hannes zur Welt brachte.
Sie kann es gar nicht fassen, eines Tages vielleicht ohne Hebamme dazustehen: Nadja Spaeth aus Weißenfels, die kürzlich ihren Hannes zur Welt brachte.
Peter Lisker Lizenz
Mit der roten Flagge am Auto wollen die Hebammen zeigen: Wir kämpfen.
Mit der roten Flagge am Auto wollen die Hebammen zeigen: Wir kämpfen.
Peter Lisker Lizenz