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Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Auch Keramik hat ihre Mode

Von JULIA REINARD 11.03.2012, 18:57

LOBITZSCH/MZ. - Ein Grund, die Wende vor 22 Jahre zu begrüßen: Sie hat die Mode in die Töpferei zurückgebracht - zumindest in die von Kerstin Goschala in Lobitzsch. Damals sei Jahr für Jahr das Gleiche bestellt worden. Kein Wunder: War es doch auch immer das Gleiche, das im offiziellen Sortiment fehlte. Mit der Wende sei die Kreativität in die Formentwicklung zurückgekommen - deren jüngster Trieb sorgte nun für dunkel glasierte Espressotassen mit eingekratztem Muster.

In Kerstin Goschalas Töpferei stehen die neuen Tässchen in verschiedenen Bearbeitungsstufen. Geformt sind sie aus hellem Ton, außen dunkelgrau überzogen. Das ist keine Farbe, sondern eine flüssige, farbige Tonmischung, eine Art Schlick, erklärt Goschala den Gästen am Tag der offenen Töpfereien immer wieder. Die hören interessiert zu, nutzen die Zeit, um die Töpferin und ihre Arbeit näher kennenzulernen.

Der graue Schlick muss auf dem ungebrannten Ton trocknen. "Ich mag diesen lederharten, also ungebrannten Zustand, da kann man viel an den Stücken machen, ritzen zum Beispiel", sagt Goschala.

Und sie tut es auch: Sie setzt eine metallene Schlinge oder ein umgearbeitetes Messer an und zieht einen Strich an der Tasse herunter. Strich für Strich entsteht parallel zum Henkel ein Muster. "Das habe ich als Kind bei meinem Vater schon immer gemacht", erklärt die 56-Jährige.

Die Lobitzscherin kommt aus einer Keramiker-Familie. Ihr Vater hatte sein Geschäft in Meuselwitz, heute kurz hinter der Grenze nach Thüringen. Quasi mit der Muttermilch saugte sie auch des Vaters Handwerk ein - wie die Scheibe zu drehen ist, worauf es ankommt beim Töpfern. Und doch, als es zur Entscheidung kam, welchen Beruf sie wählen sollte, entschied sie sich für ein Studium in Silikat-Technik an der Bauhausuniversität in Weimar. Nach dem Abschluss ging sie in die industrielle Porzellanherstellung nach Kahla.

Aber lange hielt es sie dort nicht: "Nach drei Jahren war Schluss - ich wollte nicht mehr, weil es nur um Masse gegangen ist." Sie wagte den Schritt, in Lobitzsch 1983 eine Werkstatt aufzubauen.

Gäste, die am Wochenende die Gelegenheit nutzten, einen Blick in diese Werkstatt und auf Arbeiten Kerstin Goschalas zu werfen, fanden viele Designs: viereckige Schalen, Hühner zum Aufstellen im Garten, Sparbüchsen, Geschirr. Auch die Farben sind vielfältig. So gibt es eine Linie mit roten Blümchen, "die bei Jüngeren gefragt ist", erklärt die Keramikerin.

Eine andere Linie ist leuchtend blau. Die hat Christina Schreiber sofort gefallen. Gemeinsam mit ihrem Mann Wolfram besucht sie am Tag der offenen Tür die Töpferin ihres Vertrauens. "Vom blauen Service habe ich schon alles", erzählt sie und schmunzelt. Sie sei von Anfang an, schon zu DDR-Zeiten, Kundin und mit manchem Auftrag in Lobitzsch gewesen. Denn die Keramikerin bietet nicht nur Eigenkreationen an, sondern arbeitet auch viel nach Auftrag - Schreibers bestellten zu einem Schlachtefest Pfeffer- und Salzstreuer. Das war die Initialzündung für das Streuerpaar, wie es das noch heute zu kaufen gibt.

Aber Schreibers lassen sich auch begeistern - die Espressotassen kommen gut an. "Da hast du etwas völlig Neues entwickelt", sagt Christina Schreiber anerkennend. Und natürlich landet ein Zweierset der Tassen in der Tasche.

Kerstin Goschala liebt ihren Beruf, bis heute staunt sie, was man aus "einem Klumpen Ton" alles machen kann. Sie schwärmt: "Ich kann das verwirklichen, was mir am Herzen liegt."