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Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Als Niemand in Deutschland

Von HEIKE RIEDEL 26.07.2011, 18:46

ZEITZ/MZ. - Ram Kumar - ja das ist er. So wurde er früher schon gerufen. Doch ob er Herr Pool ist, das wisse er eigentlich nicht, erzählt der Inder. Er zweifelt auch an seinem Geburtsdatum 2. September 1966, meint, dass er jünger sei, vielleicht 42 Jahre. Die Angaben habe er aus den ersten Papieren, die er von einem indischen Arbeitgeber bekam.

Der Mann mit dem meist freundlichem Gesicht lebt heute mit Duldungsstatus im Burgenlandkreis und erzählt der MZ seine Geschichte. Im einstigen Kreis Weißenfels war er 1995 der erste Asylbewerber. 1996 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seinen Asylantrag abgelehnt. In der Tat ist Kumar nicht als Verfolgter nach Deutschland gekommen, sondern weil er dort Arbeit bekam.

Geboren wurde er im Punjab, sagt der Mann. Nach dem sehr frühen Tod der Mutter hat er sich allein mit dem Vater durchgeschlagen. Der starb, als das Kind etwa sieben Jahre alt war. "Ich war ein Straßenjunge", so Kumar. Da hat ihn ein Mann aufgelesen und in die Küche seines Restaurants in Mumbay (Bombay) gesteckt. "Ich habe dort sehr viel gelernt, mir alles gemerkt und bin heute ein richtig guter Koch, der keine Konkurrenz fürchten muss", blickt der Inder auf die Jahre zurück, in denen andere zur Schule gehen, Lesen, Schreiben und Rechnen lernen und dann eine Ausbildung machen.

Er stände wohl heute noch in irgendeiner indischen Küche, aber er folgte der verführerischen "Versetzung" nach Europa.

Der Mann, der ihn in Luxemburg im Restaurant eines Vier-Sterne-Hotels brauchte, managte alles für ihn, "verwaltete" auch die Papiere, mit denen der Inder nach Luxemburg eingereist war. Dass es offenbar eine falsche Identität war, stellt die indische Botschaft später fest, als Rum Kumar sich neue Papiere ausstellen lassen will. Die seinen seien verschwunden, als sich die beiden Hotelinhaber entzweiten und er arbeitslos wurde.

Doch Arbeit bekam Kumar immer wieder in Europa. In Küchen, mal auf dem Bau, zuletzt als Koch in Gelsenkirchen und in Köln. Doch von der indischen Botschaft erhielt er keine neuen Papiere. Für die ist er bis heute ein Niemand, weil sich seine Spuren nicht finden lassen. Seine Arbeitgeber hatten damit kein Problem, arbeiten konnte er auch unter falscher Identität.

Glück oder Pech? Ohne Papiere ist Ram Kumar der Weg zurück nach Indien versperrt. Den müsste er antreten, seitdem sein Asylantrag abgelehnt ist. Ihn drängt nach 20 Jahren in Europa, 16 Jahren in Deutschland, aber nichts zur Rückreise, gibt es hier doch Arbeit für ihn, sagt er. In Gelsenkirchen und Köln hatte er welche.

16-mal ist er bisher in der indischen Botschaft gewesen, um seine Identität zu klären. Denn die ist Voraussetzung für jede weitere Entscheidung. "2003 ist ein Brief aus dem Punjab gekommen", berichtet der Inder von einem Hoffnungsschimmer, dass sein Leben geordnet werden könne. "Mein Leben ist ein großer Unfall", sagt er enttäuscht, weil ihn der Brief noch tiefer in die Katastrophe stürzte. Er konnte nicht der sein, der er sein wollte. Seine Glaubwürdigkeit ist durch die verschiedenen Identitäten, die er annahm, für die Botschaft und die Ausländerbehörde bis in die Grundfesten erschüttert. Ram Kumar beantragt eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland und erhält sie nicht. Schließlich trifft ihn das Arbeitsverbot, "weil er nicht mitwirkt an der Aufklärung, wer er ist", fasst Rudi Gollmann, Leiter des Ordnungsamtes des Burgenlandkreises, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von 2008 zusammen.

Ram Kumar klagt dagegen, er möchte sich sein Leben selbst verdienen, nicht abhängig sein vom Geld des deutschen Staates. Kaum wagt er seinen Traum auszusprechen: ein kleines Restaurant irgendwo in Deutschland selbst führen und unabhängig in einer Großstadt wohnen. Doch er musste jetzt umziehen - vom Asylbewerberheim in der Markwerbener Straße in Weißenfels in das Heim nach Zeitz. Dort harrt er des Richterspruchs und seines weiteren Schicksals als Niemand.

Zehn Zigaretten am Tag verkürzen ihm die Zeit, wenn er das Geld dafür von seinen 134 Euro monatlich abzweigen kann. 130 Euro bekommt er noch einmal als Lebensmittelgutscheine.