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Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Abschalten bei Gezwitscher

Von Holger Zimmer 26.10.2012, 17:37

Burgwerben/MZ. - "Im Weinberg werde ich ganz ruhig", bekennt Katja Dieterich. Ihr Blick wandert übers Tal, die Vögel zwitschern und nur ein Zug ist ab und an in der Stille zu hören. Dass sie sich hier so hingezogen fühlt, war nicht immer so. Früher gehörte es zu den Aufgaben, hier zu helfen. "Das war eine Pflicht. Andererseits bin ich auf dem Berg aufgewachsen, habe mit Freunden gespielt und die haben mir bei der Arbeit geholfen." Ein Leben ohne Burgwerben und den Weinberg könnte sich die 37-Jährige, die vor 15 Jahren die erste Weinprinzessin der Weinbaugemeinschaft Burgwerben-Kriechau geworden ist, nicht vorstellen.

Es war jene Zeit, als die Winzer gerade erst versuchten, den Burgwerbener Herzogsberg bekannter zu machen. Lagenweine wurden wieder abgefüllt, das Wein- und Dorffest größer gefeiert und der Tag des offenen Weinbergs eingeführt. Da ging es auch für die erste Weinprinzessin eher beschaulich zur Sache. "Wäre es anders gewesen, hätte ich das wegen meines aufwendigen Medizinstudiums gar nicht bewältigen können."

Sie nennt als Beispiel, dass damals schon nach einer Weinprinzessin fürs gesamte Saale-Unstrut-Anbaugebiet gesucht wurde. Da habe sie zwar eine entsprechende Weiterbildung mitgemacht, hat ihr das erworbene theoretische Wissen auch geholfen, doch angesichts ihrer Konkurrentinnen habe sie sich selbst keine Chancen ausgerechnet.

In Erinnerung geblieben seien ihr aus jener Zeit die Eröffnungsfeier zum 1 000. Weinbaujubiläum der Region und eine Fahrt ins österreichische Burgenland. Aber bis zu 200 Termine während der zweijährigen Regentschaft wahrzunehmen, wie heute, hätte sie sich nicht vorstellen können. Doch Katja Dieterich bekennt: "Mir hat jene Zeit sehr geholfen, mehr aus mir herauszugehen."

Das habe sie später beim Studium und als Fachärztin für Allgemeinmedizin weitergebracht. Dass sie diese Richtung einschlagen wollte, stand für sie schon in der 7. Klasse fest. "Immerhin war damals Claus Hentzschel auch in unserer Familie der Hausarzt und ich hatte den Eindruck, dass er in seinem Beruf aufgegangen ist und damit zufrieden war." Zunächst wollte sie zwar Chirurgin werden und versuchte sogar, Augen von geschlachteten Schweinen zu präparieren, was ihre Schulfreude nicht alle so toll fanden, letztlich habe sie sich aber für die Allgemeinmedizin entschieden. Auch, weil sie dabei nicht nur den Patienten vor sich sieht, sondern den Menschen, mit dem man sich übers Medizinische hinaus unterhalten kann.

Dass Katja Dieterich mit ihrem Mann Michael den Familien-Weinberg weiterführen wird, steht für sie seit langem fest. Immerhin hat sie bereits ihrem Großvater Gerhard Böhland geholfen und unterstützt nun ihre Mutter Elisabeth Büttner. "Es ist einfach schön, wenn man sieht, wie etwas unter den eigenen Händen gedeiht." Inzwischen ist der Berg für sie Erholung, selbst wenn sie mit ihrem Mann zum Beispiel beim Spritzen der Stöcke gegen Pilzerkrankungen hilft. Schön würde sie finden, wenn ihre Kinder den Weinberg nicht als Last empfinden. Selbst der Große hilft aber bereits bei der Lese, der Mittlere war zuletzt richtig traurig, dass er wegen eines Judowettkampfes nicht am ersten Erntetag dabeisein konnte, und der Jüngste schleppt ebenfalls schon Trauben im kleineren Eimer.

Katja Dieterich trinkt gerne mal Wein und nicht nur den vom Burgwerbener Herzogsberg. Auch Rebensaft aus Frankreich, Südafrika oder Chile mag sie und je nach Stimmungslage Müller-Thurgau oder Riesling. Der Burgwerbener sei etwas für besondere Gelegenheiten, bekennt sie und fügt hinzu, dass sie sich gern mal ein Glas beim Lesen eines Buches genehmige. Da bevorzugt sie Krimis, wobei Medizinisches durchaus eine Rolle spielen darf. Dennoch kann sie dabei richtig abschalten, denn 24 Stunden ohne Freiräume zu funktionieren, das gehe nicht, sagt sie, "da bleibt man auf der Strecke". Doch die Seele baumeln lassen, das kann Katja Dieterich, selbst wenn sie in organisatorischen Dingen bei der Weinbaugemeinschaft mitarbeitet oder Kindern der Freien Evangelischen Schule zeigt, wie der Wein auf dem Berg wächst.