Bestraft für den Fluchtversuch über die Ostsee
WEISSENFELS/MZ. - Das Buch, dem die Autorin Carmen Rohrbach den Untertitel "Meine dramatische Flucht über die Ostsee bis ans Ende der Welt" gab, hält Schreiber für Leser aus der Region für interessant, weil darin stellenweise die hiesige Heimat wie der Naumburger Dom und die Freyburger Schulzeit beschrieben werden. Es sei ein Buch, das zum Jubiläumsjahr der Wende passe. Das Buch der Autorin Carmen Rohrbach ist nicht wegen des beschriebenen, gescheiterten Fluchtversuches und den Gegebenheiten im Haftvollzug lesenswert, sondern auch wegen der Begegnungen mit den verschiedenen Lebensauffassungen der Familiengenerationen des vergangenen Jahrhunderts, so Schreiber. Vor allem beeindruckt die Zielstrebigkeit und Willensstärke mit der Carmen Rohrbach die Realisierung ihrer Träume von fernen Ländern angeht. Darin ist sie unbeirrbar und heute als Autorin von Forschungs- und Reiseberichten sowie als Dokumentarfilmerin geachtet und geschätzt. Die 1948 in Elsterwalde (Niederlausitz) Geborene wächst eigentlich in einer kommunistisch orientierten Familie auf, warb doch ihr aus Schlesien stammender Vater aus Lübeck in die DDR übergesiedelt, weil er hier in der sowjetischen Besatzungszone einem friedlicheren Aufbau vertraute. Schulbesuche in Freyburg und Bischofswerda, wo Rohrbach das Abitur ablegte, formten sie. Ihre Wissbegier ging weit über den Schulstoff hinaus und war naturorientiert. Ab 1967 studierte sie Biologie in Greifswald und Leipzig. Der Leser erfährt von einem Besuch im Naumburger Dom, vom Leben in Freyburg und von Kindererlebnissen "im Wald auf dem Rödel". Einblicke in den Alltag an den Universitäten und in die Zweigesichtigkeit der Bürger werden gegeben. Carmen Rohrbach spürt die Grenzen der DDR, die ihren Träumen der Erkundung der Natur in fernen unerforschten Gebieten entgegenstehen. Das treibt sie zu dem wagemutigen Fluchtversuch am 23. August 1974. Mit ihrem Freund versucht sie durch die Ostsee schwimmend Dänemark zu erreichen. Es misslingt. Nach 28 Stunden im Wasser machen beide völlig erschöpft auf einer Boje in internationalem Gewässer Rast. Sie werden von einem Kriegsschiff der Volksmarine auf- und festgenommen. Vom Kreisgericht in Weißenfels werden sie zu zwei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt. Im Strafvollzug in Halle und Ho
heneck erfährt Rohrbach vom Freikauf von DDR-Häftlingen durch die Bundesrepublik. Aus Angst, ihr Name stünde nicht auf der Liste, tritt sie in den Hungerstreik. Im Sommer 1976 wird sie freigekauft. Sie beendet ihr Studium bei München und realisiert ihre Lebensträume.
Carmen Rohrbach "Solange ich atme - Meine dramatische Flucht über die Ostsee ans Ende der Welt", Knaur Taschenbuch; ISBN 978-3-426-77772-5, 9,95 Euro