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AGCO in Hohenmölsen AGCO in Hohenmölsen: Flüchtlinge bekommen Praktikums-Zertifikat

Von Petra Wozny 10.02.2016, 13:05
Arbeiten beim Hohenmölsener Landmaschinenbauer AGCO im Versand Hand in Hand: Tom Friedrich (li.) und der 34-jährige syrische Praktikant Wassim Alatrash.
Arbeiten beim Hohenmölsener Landmaschinenbauer AGCO im Versand Hand in Hand: Tom Friedrich (li.) und der 34-jährige syrische Praktikant Wassim Alatrash. Peter Lisker Lizenz

Hohenmölsen - Drei Syrer und drei junge Männer aus Eritrea haben am Mittwoch beim amerikanischen Landmaschinenbauer AGCO in Hohenmölsen das Zertifikat für den erfolgreichen Abschluss eines Praktikums in diesem Unternehmen bekommen. „Sie erhielten in einer eigens für Flüchtlinge eingerichteten Werkstatt neben Grundkenntnissen der Metallverarbeitung auch eine intensive Deutschausbildung“, betont Geschäftsführer Sven Gempper.

Die Wahrscheinlichkeit der sechs Männer, in Deutschland bleiben zu dürfen, ist groß - die Hälfte hat bereits eine Aufenthaltserlaubnis. „Nur eine Bleibe zu geben ist doch zu wenig“, betont Gempper, der ein Gebäude auf dem ehemaligen Bundeswehr-Gelände an den Burgenlandkreis als Gemeinschaftsunterkunft für 60 Flüchtlinge vermietet hat. „Wie weiter also mit ihnen?“, fragt Gempper und hatte dazu Unternehmer, aber auch Vertreter der Arbeitsagentur, des Jobcenters und verschiedener Bildungsträger eingeladen.

Bildungsstand stark unterschiedlich

„Das Interesse der Unternehmen ist groß, auch die Bereitschaft vieler Flüchtlinge in Arbeit zu kommen. Die Verbindung zwischen beiden muss sachte vorbereitet werden“, meint Egon Marten vom Internationalen Bildungs- und Sozialwerk Naumburg. Zum einen gehöre es noch nicht in jedem Betrieb zur Unternehmenskultur, Ausländer zu beschäftigen. Zum anderen schwanke der Bildungsstand der Flüchtlinge vom Grundschulniveau bis zu einem abgeschlossenen Studium. Viele der Flüchtlinge haben in ihren Heimatländern gearbeitet. Wer in Eritrea beispielsweise einen Lkw gelenkt hat, möchte dies natürlich auch hier. Doch in seiner Heimat brauchte er nicht zwangsläufig einen Führerschein.

Herwig Fischer, Leiter des Jobcenters im Burgenlandkreis untermauert dies mit Zahlen. Derzeit beziehen von den über 2 000 Flüchtlingen im Burgenlandkreis rund 240 Flüchtlinge aus acht Ländern Sozialleistungen. Allein von ihnen haben 80 Prozent keine abgeschlossene Ausbildung. „Es wird ein Riesenaufwand, ihnen die Schulausbildung zu geben und sie an eine Lehre heranzuführen“, ist er sich sicher.

Der Landmaschinenbauer AGCO in Hohenmölsen hat eigens für Flüchtlinge eine Werkstatt mit acht Arbeitsplätzen eingerichtet. 160 000 Euro wurden investiert. In den kommenden Wochen sollen weitere Maschinen Einzug halten. Das ist einmalig im Burgenlandkreis.

Innerhalb von drei Monaten erhalten die jungen Männer Grundkenntnisse der Metallverarbeitung, wie Bohren, Gewindeschneiden, Feilen und demnächst auch Schweißen. Zur Seite steht den Flüchtlingen der erfahrene Lehrausbilder Holger Baldauf. Unterrichtssprache ist deutsch. Im letzten Monat des Praktikums werden die Teilnehmer in die Betriebsabläufe integriert. AGCO plant in den kommenden Monaten einen der Praktikanten zu übernehmen.

AGCO ist der drittgrößte Landmaschinenhersteller der Welt. Das erst 1990 gegründete Unternehmen machte im vergangenen Jahr einen Jahresumsatz von rund zehn Milliarden Euro. Hohenmölsen ist einer der 45 Standorte weltweit. Geschäftsführer ist Sven Gempper. Beschäftigt sind derzeit 160 Mitarbeiter. Das Unternehmen hat 2009 das Gelände des ehemaligen Bundeswehr-Standortes in Hohenmölsen erworben und investierte seitdem rund 35 Millionen Euro.

Gebaut wird in Hohenmölsen der Feldhäcksler Katana 65. In einem modernen Bearbeitungszentrum werden Dickblechteile für die Fendt-Traktoren hergestellt und an das Stammwerk in Marktobersdorf geliefert. Der Hohenmölsener Standort wird weiter wachsen. Die Produktionskapazität soll sich erhöhen, die Belegschaftstärke ebenso.

Gute Erfahrung mit der Integration von ausländischen Arbeitern hat das Unternehmen Klotz Metallbau aus dem benachbarten Saalekreis. „Von unseren 100 Mitarbeitern sind 25 aus anderen Ländern. Das passt“, meint der Prokurist Jan Huschka, der sofort bei AGCO unter den Praktikanten auf die Suche nach Montagekräften für die Baustellen des Unternehmens ging. „Im Saalekreis bin ich beim Jobcenter mit meinem Anliegen, Flüchtlinge einzustellen, abgeblitzt“, schildert Huschka. Skepsis meldet indes Dieter Börnchen, ehemals Geschäftsführer des Zorbauer Unternehmens Hollfelder-Gühring, an. Jetzt arbeitet er im Mitteldeutschen Unternehmensnetzwerk Metall-Elektro-Kunststoff. „Ich bin mir nicht sicher, ob jede Eingliederung gelingt, denn die meisten Unternehmen suchen Nachwuchs mit einer Spezialausbildung.“ Deutlich wird, dass auf dem Weg der Integration von Flüchtlingen noch viele Hürden genommen werden müssen. Kernpunkte sind die Umsetzung des Asylrechtes, die Vorrangprüfung seitens der Arbeitsagentur sowie solide Deutschkenntnisse, eine geklärte Identität und ein Bleiberecht der Flüchtlinge.

Estifanos Goytom aus Eritrea freute sich gestern besonders: Er hat die Aufenthaltserlaubnis bekommen, das Praktikumszertifikat in der Tasche und eine Ausbildung beim Logistiker Bauer & Mayer in Zorbau in Aussicht. (mz)