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36-jähriger Vater nach Motorradunfall 36-jähriger Vater nach Motorradunfall: Der schwere Weg zurück ins Leben

Von Holger Zimmer 20.10.2015, 14:27
Anthony, Eddy, René und Nadine Harre.
Anthony, Eddy, René und Nadine Harre. Peter Lisker Lizenz

Reichardtswerben - René Harre hat sich nach seinem schweren Unfall Stück für Stück ins Leben zurückgekämpft. Trotzdem steht er noch fast am Anfang. Anthony (11) sagt: „Vati hat im Koma gelegen und konnte nicht sprechen.“ Inzwischen kann er wieder laufen und auch das Reden klappt schon ganz gut. Seine Frau Nadine sagt: „Bis Ende August war er im Krankenhaus, ist bestenfalls mal an zwei Krücken gelaufen. Jetzt braucht mein Mann den Rollstuhl nur noch, wenn wir mal wegfahren oder zum Einkaufen sind.“

Der TSV Großkorbetha verlor ein Benefizspiel für René Harre im April gegen Braunsbedra 1:9. Wichtiger war der Erlös von 6 000 Euro. Dazu trugen der Verkauf von Getränken, Kuchen und Würstchen bei. Harres Kollegen spendeten allein 300 Euro und die 500 Besucher des Spiels ließen außerdem die Spendenbüchsen klingeln. (hz)

Ein Augenblick hat das Leben der vierköpfigen Familie völlig verändert. Es war im November des Vorjahres. René Harre war mit dem Motorrad unterwegs nach Hause in Reichardtswerben. An der Ausfahrt eines Einkaufsmarktes in Weißenfels nahm ihm ein Pkw-Fahrer die Vorfahrt. Der inzwischen 36-Jährige hatte keine Chance. Er wurde meterweit durch die Luft geschleudert. Linksseitig gab es mehrere Knochenbrüche, rechts Lähmungserscheinungen wegen seiner Hirnquetschungen und -blutungen. Kurz nach dem Unglück kam Nadine Harre mit den beiden Kindern am Unfallort vorbei und sie erkannten das Motorrad. . .

Belastungsprobe für die Familie

Nach dem Unfall ist die 34-Jährige täglich im Krankenhaus in Halle gewesen. Sie war nervlich so am Ende, dass sich ihre Schwester Christiane und Schwiegervater Reiner in den Fahrdienst geteilt haben. Um bei ihrem Mann sein zu können und ihm mit ihrer Anwesenheit zu helfen, hat sie sogar ihren Minijob aufgegeben. Die Frau saß an seinem Bett und wusste anfangs nicht, ob er durchkommt. Doch René Harre hat gekämpft und wollte er mal nicht mehr seine Therapien machen, hat ihm seine Frau zugeredet.

Wie es René Harre nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus erging, lesen Sie auf Seite 2.

Die Heimkehr war ein Freudentag. Doch wie eng Freud’ und Leid beieinanderliegen, erlebt René Harre tagtäglich. Das beginnt morgens beim Anziehen, wenn seine Frau ihm hilft. Es setzt sich fort über Ergo- sowie Physiotherapie und das notwendige Gedächtnis- und Bewegungstraining. „Wir mussten lange üben, damit sich René wieder an unsere Geburtstage erinnert“, sagt seine Frau. „Manchmal muss er noch lange nachdenken, bis sie ihm einfallen.“ Und steht er am Morgen auf, weiß er nichts mehr vom vergangenen Tag. Wie das mal weitergeht, darauf wissen auch die Ärzte angesichts der Hirnschädigung keine Antwort. Aber wenigstens die Physiotherapeutin hat die Hoffnung, dass ihr Patient bis Weihnachten keinen Rollstuhl mehr braucht.

Der TSV Großkorbetha verlor ein Benefizspiel für René Harre im April gegen Braunsbedra 1:9. Wichtiger war der Erlös von 6 000 Euro. Dazu trugen der Verkauf von Getränken, Kuchen und Würstchen bei. Harres Kollegen spendeten allein 300 Euro und die 500 Besucher des Spiels ließen außerdem die Spendenbüchsen klingeln. (hz)

Jeder Cent wird gebraucht

René Harre sagt: „Hätte ich die Familie nicht, würde ich nicht mehr leben wollen.“ Er sagt’s und ist den Tränen nahe. Auch als ihm seine Frau die Zeitungsbeiträge von jenem Benefizspiel zeigt, das die Großkorbethaer Fußballer im April gegen Landesligist Braunsbedra organisiert haben, hat er geweint. Er war der Hauptverdiener in der Familie. Jetzt wird jeder Cent dringend gebraucht. 6 000 Euro kamen im April beim Benefizspiel zusammen, Geld das gebraucht wurde, um den Kredit für den Wohnungsausbau zu bezahlen, fürs tägliche Leben und für Reparaturen am Auto, damit Nadine Harre allein ins Krankenhaus fahren konnte. Die Großkorbethaer Privatschulen haben Anthony für vier Monate das Schulgeld erlassen. Selbst die Berufsgenossenschaft des Mannes ist laut Frau Harre eine große Hilfe, denn die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers hat noch nicht gezahlt.

Inzwischen ist René Harre schon mal auf dem Sportplatz in Großkorbetha gewesen, wo Anthony mit seiner C-Jugend gespielt hat. Ihr Mann, der sich beim TSV für den Nachwuchs engagiert hatte, habe zwar mit einigen gesprochen, aber in sich gekehrt gewirkt, erzählt seine Frau. Der Sohn weiß auch, dass Vati „nicht mehr so ist wie früher“. Ihn würde freuen, wenn er sich in Englisch und Geografie verbessern könnte, weiß der Elfjährige.

Positiver Blick in die Zukunft

Wenn René Harre heute seinen Vater mit den Kindern rumtoben sieht, sagt er: „Das müsste ich doch machen.“ Und er weiß, dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist. Freuen aber kann er sich mit seinen Kindern, wenn sie mal in einen Tierpark fahren oder nachmittags nach Kindergarten und Schule gemeinsam Filme anschauen oder herumalbern. Dann macht das auch Nadine Harre Mut. Ihr Mann kann zwar ab und an schon mal beim Abwasch helfen, aber ansonsten muss sie viel allein bewältigen. „Ich schaffe das“, muntert sie sich selbst auf und glaubt fest daran, dass René bald auch größere Strecken wird laufen können. Sie zeigt aus dem Fenster auf ein Haus mit grünem Dach. Die gut 100 Meter bis dorthin schaffe er schon und sie ist sich sicher: „Bald wird er noch weiter laufen.“ (mz)