Wolfgang Conrad Wolfgang Conrad: Tief in Vergangenheit eingetaucht
Eisleben/MZ. - Auch wenn er nur ihren Abbildungen begegnete, so kam er dem Leben jener Männer doch sehr nah. Im Vorfeld seiner Arbeiten untersuchte der Lutherstädter nämlich nicht nur die Beschaffenheit der Skulpturen, sondern informierte sich auch über das Wirken der dargestellten Persönlichkeiten.
Wenn Conrad schließlich die Oberfläche der Denkmäler Millimeter für Millimeter restauriert, bleibt sicherlich nicht aus, dass er mitunter ein gedankliches Zwiegespräch mit seinem bekannten Gegenüber führt. Vielleicht in solchen Momenten wie diesem, als er während der Restaurierungsarbeiten am Wittenberger Melanchthon-Denkmal entdeckte, dass der Mantel mit einem Pelzkragen besetzt war.
Ganz nah ist der studierte Chemiker der Geschichte auch bei der Reparatur des Luther-Denkmals in seiner Heimatstadt Eisleben gekommen. In einer Talarfalte entdeckte er eine Geschosskugel. Sie liegt heute im Museum und ist vermutlich ein Zeugnis der Märzkämpfe von 1921 in Mitteldeutschland. Conrad: "Damals soll es auch eine Schießerei am Marktplatz gegeben haben." In diesen Wochen widmet sich der Lutherstädter dem umstrittenen russischen Revolutionsführers Lenin. Genau genommen seiner Bronzeplastik, die zu DDR-Zeiten am Plan in Eisleben stand. Dass er neben der Luther-Figur eines Tages diese Skulptur restaurieren wird, konnte Conrad 1997 nicht ahnen, als er auf einer Internationalen Tagung zur Metallrestaurierung in Bayern sprach und das Spannungsfeld beschrieb, in dem die Lutherstädter 40 Jahre lang gelebt hatten.
"Zwischen Luther und Lenin liegen Welten, aber in Eisleben im Mansfelder Land waren es 43 Jahre lang nur 380 Schritte Distanz zwischen den beiden Denkmälern", sagte Conrad damals.
Lenin, der durch Korrosion und Grünspan stark beschädigt ist, will der Eisleber nun in den nächsten fünf Monaten restaurieren. Die Debatte über den künftigen Standort und Eigentumsverhältnisse des Denkmals hat Conrad zwar bislang in aller Zurückgezogenheit verfolgt. Seine Meinung zu diesem Thema lässt aber keinen Zweifel daran, dass er Lenin in Zukunft am besten im Deutschen Historischen Museum Berlin aufgehoben weiß. "Eine Stadt kann nicht alles verkaufen, was mit ihrer Geschichte zu tun hat", meint er.
Der Erhalt von altem Kunst- und Handwerksgut lag Conrad bereits am Herzen, als er noch im einstigen Betrieb für Korrosionsschutz Eisleben als Leiter für Qualitätsentwicklung arbeitete. Als er in der Firma jedoch Mitte der 80er Jahre keine Möglichkeiten mehr für sein berufliches Fortkommen sah, ließ er sich nach einer zusätzlichen Ausbildung als freischaffender Restaurator nieder und machte sich schnell einen Namen - auch über die Region hinaus.
Seine Aufträge beweisen es. Mehrere Monate lang verlieh er jetzt mit vier Kollegen dem Herkulesbrunnen von Adriaen de Vries in Augsburg alten Glanz. Und in Conrads kleiner Werkstatt steht schon das nächste Arbeitsobjekt - ein Neptun aus Messing. Er gehört zu einem Brunnen, der in den Herrenhäuser Gärten von Hannover steht.