Vulkanausbruch 1783 Vulkanausbruch 1783: Nebel verdunkelte die Sonne
HOLDENSTEDT/MZ. - In seinen Aufzeichnungen schrieb der Pfarrer, dass am 16. Juni 1783 plötzlich "ein Tag und Nacht anhaltender Nebel und Heerrauch aufgezogen ist". Diese Wettersituation hielt über vier Wochen, bis zum 21. Juli 1783, an. Die Ursache für den vermeintlichen "Nebel" kannte er allerdings nicht.
"Die Ähnlichkeit der Erscheinungen von 1783 und 2010 ist bestimmt kein Zufall", vermutet Eva Scheffel. Laut dem Internet-Lexikon Wikipedia ereignete sich nämlich im Jahre 1783 eine große Naturkatastrophe: "Am 8. Juni 1783 begann auf Island der Ausbruch des Lakikraters. Rund zwölf Kubikkilometer Lava und Asche wurden dabei freigesetzt, etwa 100 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Atmosphäre geschleudert." Diese Wolke hatte nach einer Woche demnach auch den mitteldeutschen Raum und die Region südlich des Harzes erreicht.
Der hier wahrgenommene "Höhennebel" entstand durch das herangetriebene Schwefeldioxid. Durch Reaktion mit den Wassertröpfchen in der Luft bildete sich eine giftige Aerosolwolke. "Es roch wie schweflige Steinkohle", schrieb der Pfarrer. "In 100 Schritt Entfernung konnte man nichts mehr deutlich sehen. Abends, wenn im Raum Licht brannte, sah man den Schatten des Fensterkreuzes in der Nebelwand wie ein Spiegelbild. Der Himmel ist von Dünsten überzogen, durch welche am Tage die Sonne ganz blass erscheint und keine Strahlen auf die Erde wirft. Morgens und abends ist sie stundenlang als rote Kugel zu sehen."
Man habe damals sogar mit bloßen Augen in die Sonne sehen können, ohne geblendet zu werden, schilderte er. Tagsüber habe eine "unerträgliche Hitze" geherrscht, nachts war es sehr kalt. Nach einer Woche begann die Vegetation abzusterben. Die Blätter der Bäume in den Gärten und Wäldern wurden braun und schwarz und fielen ab. Die Sommersaat auf den Feldern färbte sich gelb und verdorrte. Dieser Zustand hielt bis zum 19. Juli an. Nach einem schweren Gewitter und starken Regenfällen löste sich der Nebel langsam auf, die Normalität kehrte zurück.
Die Folge seien aber beträchtliche Ernteausfälle gewesen. "Bei Roggen ging es noch", notierte der Bennunger Pfarrer Friedrich Botho Müller. Er hatte diese Katastrophe auch beobachtet. "Gerste, Hafer und Erbsen litten viel Not. Nur was nach dem Regen aufging, war gut." Die Ursache für diese Katastrophe blieb den Menschen in unserer Region damals unbekannt. Weiter hielt er in der Chronik fest: "Der folgende Winter war sehr hart. Vielerorts blieben die Mühlen stehen."
Im Quittungsbuch des Holdenstedters Christian Sondag entdeckte Eva Scheffel einen weiteren Hinweis auf diesen durchaus merkwürdigen Sommer: Sondag bekam vom damaligen Vorsteher Johann Michael Richter im Jahre 1789 zwei Groschen Steuergeld wegen des Wetterschadens im Jahre 1783 erstattet.