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Urnen in Stolberg Urnen in Stolberg: Bestatter bekommt Bewährungsstrafe

Von Frank Schedwill 09.04.2014, 12:56
Die Urnen, die in Stolberg gefunden wurden.
Die Urnen, die in Stolberg gefunden wurden. Ralf Kandel Lizenz

Sangerhausen/MZ - Zwei Kamerateams filmten, drei Fotografen versuchten, die besten Bilder des Angeklagten zu erhaschen. So einen Medienandrang wie am Mittwochmittag gab es lange nicht im altehrwürdigen Sangerhäuser Amtsgericht. Gekommen waren sie alle wegen Gerald K. Der 56-jährige, frühere Bestattungsunternehmer hatte zwischen 2010 und 2012 in einem leerstehenden Fachwerkhaus in Stolberg 67 zu Seebestattung vorgesehene Urnen versteckt, statt sie wie mit den Hinterbliebenen vereinbart im Meer zu versenken. Dadurch habe er sich Kosten für Transport, Schifffahrt und Umbettung von insgesamt 20 300 Euro erspart, hieß es in der Anklageschrift. Die Angehörigen täuschte der studierte Theologe mit selbst gefertigten „Seegrabbriefen“, in die er Seekoordinaten der angeblichen Beisetzungen und zum Teil auch erfundene Schiffe eintrug. Der Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen.

Gerald K. wird zu Bewährungsstrafe verurteilt

Das Schöffengericht ist in Deutschland beim Amtsgericht angesiedelt. Es ist zuständig in Strafverfahren mit einer Strafgewalt bis zu vier Jahren Haft. Das Schöffengericht ist in der Regel mit zwei ehrenamtlichen Richtern und einem Berufsrichter besetzt. Die Schöffen haben dabei die gleichen Recht und Pflichte wie der Berufsrichter. Wenn die zu verhandelnde Sache von besonderem Umfang ist, kann ein weiterer Berufsrichter hinzugezogen werden. Dieses Gericht heißt dann erweitertes Schöffengericht.

Aber so spektakulär, wie der Prozess im Raum 2.22 begann, so unspektakulär endete er nach fast genau zwei Stunden. K. wurde vom Schöffengericht unter Vorsitz von Sven-Olaf Zärtner wegen gewerbsmäßigen Betruges zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Eineinhalb Jahre Haft sind ihm angedroht, sollte er rückfällig werden. Die Richter folgten damit dem Antrag von Staatsanwalt Norbert Hartge. Verteidiger Wolfgang Koop hatte ein Jahr und drei Monate auf Bewährung für seinen Mandanten gefordert. Möglich wurde das milde Urteil durch ein Geständnis: Gleich zu Beginn machte der Angeklagte reinen Tisch. Außerdem hatte er die Urnen im Januar dieses Jahres ordnungsgemäß beisetzen lassen.

Wirtschaftliche Situation veranlasste Gerald K. zu der Tat

K. begründete die Taten mit seiner wirtschaftlichen Situation: Seine Firma sei Anfang 2011 in Schieflage geraten. Außerdem habe er Schulden in Höhe von 70 000 Euro aus früheren Unternehmungen zurückzahlen müssen. Er habe deshalb versucht, mit dem eingesparten Geld „Löcher zu stopfen“. Die Staatsanwaltschaft hatte ohnehin nur 29 der 67 Fälle angeklagt. Verfolgt wurden nur die, in denen K. selbst Verträge mit den Hinterbliebenen für anonyme Seebestattungen zum Preis von je 1 400 Euro geschlossen hatte. In den anderen war K. als Subunternehmer für andere Bestattungshäuser tätig gewesen. Er hatte dabei unwiderlegt nur zwischen fünf und 35 Euro pro Beisetzung verdient. In mehreren Fällen sei er selbst nicht bezahlt worden, sagte er.

Wegen Schmuckdiebstahls hat die Gießener Staatsanwaltschaft im März 2014 einen Bestatter angeklagt. In einer Leichenhalle und in einem Krematorium soll er Särge geöffnet und den Schmuck gestohlen haben, den Angehörige den Toten angelegt hatten.

Er verkaufte anonyme und Seebestattungen zu Billigpreisen, doch die Urnen landeten nur in seinem Büro: Im April 2013 verurteilt ein Berliner Amtsgericht einen Bestatter wegen Betruges zu drei Jahren Haft.

Nicht die Asche der Toten, sondern mit Sand oder Kies gefüllte Urnen hat ein Bestatter in Rheinland-Pfalz beigesetzt. Ein Gericht in Bad Kreuznach verurteilt ihn im August 2013 wegen Betrugs und Störung der Totenruhe zu einer Bewährungsstrafe.

Zwei Bestatterinnen, die bei Feuerbestattungen teure Särge gegen günstige getauscht hatten, werden im Dezember 2008 zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Die Toten waren in einem Billigsarg verbrannt worden, die Betrügerinnen hatten aber für ein Luxusstück abkassiert.

Mitarbeiter eines Krematoriums in Nürnberg verkauften bei der Einäscherung anfallendes Zahngold an einen Juwelier und kassierten dafür rund 130 000 Euro. Wegen Diebstahls werden sie im November 2007 zu Bewährungs- und Geldstrafen verurteilt.

Angeklagte entschuldigt sich

In der Verhandlung entschuldigte sich der 56-Jährige: „Ich weiß, dass ich das, was ich angerichtet habe, nicht wieder gutmachen kann“. Er habe durch den Fall eine sicher geglaubte Arbeit in einem Erfurter Bestattungshaus nicht antreten können. Künftig wolle er auch nicht mehr als Bestatter tätig sein. Stattdessen versuche er, mit Hilfe von Freunden eine andere Anstellung zu finden. Gegenwärtig lebt der 56-Jährige von Hartz IV. Ein früherer Geschäftspartner von ihm, der die Verhandlung als Zuschauer verfolgte, nahm ihm die Reue nicht ab. „K. wird weiter machen und neue Firmen gründen“, sagte er nach dem Prozess. Der Angeklagte habe Krematorien und andere Bestatter nicht bezahlt. Er selbst bekomme von ihm noch eine vierstellige Summe. „Meiner Meinung nach wäre es besser gewesen, den Mann wegzusperren.“ Das Urteil ist rechtskräftig.

Medienrummel am Mittwoch im Amtsgericht: Vorn links der Angeklagte Gerald K., daneben sein Verteidiger Wolfgang Koop.
Medienrummel am Mittwoch im Amtsgericht: Vorn links der Angeklagte Gerald K., daneben sein Verteidiger Wolfgang Koop.
Maik Schumann Lizenz