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Uran im Trinkwasser Uran im Trinkwasser: Eklat bei Fernwasser-Debatte in Sangerhausen

Von Helga Koch 06.08.2016, 08:00
Eberhard Raap forderte, im Sinne der 30.000 Menschen gemeinsam zum Landesverwaltungsamt zu fahren und für besseres Wasser zu kämpfen.
Eberhard Raap forderte, im Sinne der 30.000 Menschen gemeinsam zum Landesverwaltungsamt zu fahren und für besseres Wasser zu kämpfen. Schumann

Sangerhausen - Freitag, kurz vor acht. Rund 60 interessierte Bürger strömen zur Fernwasser-Informationsveranstaltung des Wasserverbands Südharz ins Neue Rathaus der Kreisstadt. Zusätzliche Stühle werden geholt.

Trotzdem muss Heike Müller, stellvertretende Geschäftsführerin des Verbands, zwei Dutzend Bürger wegschicken. Kein Platz mehr. Der Verband hat wegen des immensen öffentlichen Drucks ins Rathaus eingeladen.

Wer einen Stuhl ergattert, erlebt eine hitzige Debatte und einen Eklat, als Geschäftsführerin Jutta Parnieske-Pasterkamp weitere Fragen ablehnt und sogar die Veranstaltung abbrechen will.

Parnieske-Pasterkamp trägt Krebsstatistiken vor

Und man erfährt, dass die Fernwasserleitung von Nienstedt nach Sangerhausen frühestens ab Oktober 2017 gebaut werden kann. Zufrieden allerdings verlässt kaum ein Bürger die Veranstaltung. Konkrete Erkenntnisse gibt es nicht, dafür aufgeheizte Stimmung und leidenschaftliche Beiträge.

Was viele irritiert: Parnieske-Pasterkamp hält unbeirrt an ihrem „Fahrplan“ fürs Arbeitsgespräch fest. Statt mögliche Planungsvarianten und Etappen für den seit langem geforderten Bau der Leitung vorzustellen, arbeitet sie sich an Krebsstatistiken ab.

So schlecht sei die Qualität des örtlichen Tiefbrunnenwassers nicht: Es sei „nicht giftig“ und „nicht radioaktiv“ und „kein Bombenstoff“, wie es Sprecher Gerhard Ernst von der Bürgeraktion für uranfreies Trinkwasser im Vorfeld provokativ formuliert.

Karl-Heinz Gafert unterbricht sie - er gehört zu den Sangerhäusern, die seit Jahren die Versorgung der Region mit Wasser aus der Rappbodetalsperre fordern. Es gehe darum, die Menschen mit gesundem Wasser zu versorgen, so wie es in Eisleben seit 20 Jahren und inzwischen auch in Allstedt passiert.

Die Chefin droht mit Abbruch der Veranstaltung

Die Debatte schaukelt sich hoch, etwa als Ernst-Albrecht Henke fragt: „Wir trinken das Wasser, die Eisleber nicht. Wann geht es los - wollen Sie bauen oder nicht?“ Eberhard Raap von der Bürgeraktion für uranfreies Trinkwasser mahnt: „Uran, Nitrat und Schadstoffe sind im Wasser, Gifte im Essen. Die Summe macht’s!

Der Körper schafft es nicht mehr, sich dagegen zu wehren. Wir müssen die Notbremse ziehen.“ Ernst warnt, die für 2016 zugesagten Fördermittel für den Bau der Leitung könnten verfallen: „Weg sind ’se!“

Dann wird es der Chefin zu heftig: „Weitere Fragen werde ich nicht zulassen.“ Das Gegrummel im Publikum nimmt zu. Gerald Neuschl empört sich über „die Verklärung, die hier stattfindet“.

Parnieske-Pasterkamp, die seit Herbst 2014 den Verband führt, ist erbost: „Ich weigere mich, die Veranstaltung weiterzuführen. Ich bin der persönlichen Meinung, ich habe das nicht verdient.“ Ralf Rettig, Verbandsrat der Gemeinde Südharz, versucht zu beschwichtigen: „Wir wollen wissen, wann es losgeht und was noch zu machen ist.“

Gespräch beim Präsidenten des Landesverwaltungsamts am 18. August

Daraufhin wird es zeitweise etwas sachlicher. Parnieske-Pasterkamp erläutert die geplante Trassenführung, Planungsverfahren, Zeitschienen, Naturschutzbelange und archäologische Untersuchungen.

Wilfried Weidling, früherer Fachbereichsleiter Autobahn beim Landesbetrieb Bau, äußert Verständnis: Das Planungsrecht in Deutschland sei sehr kompliziert.

Landrätin Angelika Klein (Linke) kündigt an, mit der Geschäftsführerin am 18. August das Gespräch beim Präsidenten des Landesverwaltungsamts zu suchen und einen Termin mit der Umweltministerin zu vereinbaren. Es gebe zwei Naturschutzverbände, die womöglich gegen den geplanten Bau klagen könnten.

„Wenn wir viel finden, können wir nichts machen.“ Mit den Archäologen habe man beim Bau des Jobcenters Hettstedt gute Erfahrungen gemacht, so Klein.

Sie hoffe auf einen Aufschub bezüglich der Fördermittel. Das will auch Finanzminister André Schröder (CDU), teilt er noch am Freitag mit. (mz)

Gerhard Ernst
Gerhard Ernst
M. schumann
Wilfried Weidling
Wilfried Weidling
M. schumann
Ernst-Albrecht Henke
Ernst-Albrecht Henke
M. schumann