Talsperre in Kelbra Talsperre in Kelbra: Ärger über Ebbe im See

Berga/Kelbra - Naturschützer fordern Änderungen beim Betriebsregime der Talsperre in Kelbra. Sie bemängeln, dass das Wasser im Stausees anders als in den vergangenen beiden Jahren in diesem Herbst komplett abgelassen wurde.
Andreas Liste, der Vorsitzende des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder, spricht von „Unverständnis über die umfassende Senkung der Wasserstände“. Mitglieder des Arbeitskreises haben vor einigen Tagen eine Exkursion am Stausee sowie entlang von Helme und Thyra unternommen. „Es sind große Bereiche des Grundes der Talsperre Kelbra erkennbar, die durch Sonne und Wind ausgetrocknet waren. Der Bewegungsraum der Wasservögel werde deshalb eingeschränkt“, so Liste. So wie er äußerten sich weitere Naturfreunde in E-Mails und Anrufen in der Redaktion. Auch die Kraniche, die zu Tausenden am Stausee Rast machen, seien auf das Wasser angewiesen, schreibt zum Beispiel der Weimarer Thomas Roth.
Ablassen des Stausees unverständlich
„Da die Vögel auf dem Wasser schlafen, ist das komplette Ablassen des Stausees während des Vogelzuges völlig unverständlich. Die Kraniche stehen nun schutzlos auf dem Trockenen.“ Die Mitglieder des Arbeitskreises befürchten außerdem, dass bei anhaltendem niedrigen Wasserstand der Schilf- und Röhrichtgürtel dauerhaften Schaden nehmen könnte. Dies würden einen Verlust von Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tierarten wie Wasservögel, Amphibien, Insekten und Spinnen bedeuten. „Hier gilt es, unbedingt Abhilfe zu schaffen“, fordert Liste.
Der in Blankenburg im Harz ansässige Landestalsperrenbetrieb hält entgegen, dass die sogenannte wasserrechtliche Genehmigung und der Betriebsplan der Talsperre es nicht vorsehen, im Winter regulär Wasser einzustauen. Es sei denn, die Helme führt Hochwasser. Die Anlage diene in erster Linie nun einmal dem Schutz vor Überschwemmungen, sagt Joachim Schimrosczyk, der stellvertretende Geschäftsführer. Es müsse jederzeit genügend Kapazität im Becken vorhanden sein.
Aufgrund der laufenden Bauarbeiten am Hauptsperrwerk sei es derzeit sowieso nicht möglich, Wasser im Staubecken zu lassen: Bei dem aufwendigen Projekt wird das Sperrwerk mit neuem Korrosionsschutz versehen. Ohne Wasser können die Bauleute fast „trockenen Fußes“ arbeiten. Im Notfall bei Hochwasser ist die Anlage aber steuerbar.
Der Helmestausee Berga-Kelbra ist ein Internationales Vogelschutzgebiet und Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebiet (FFH). Er gehört zu den am besten erforschten Vogelbeobachtungsgebieten in Sachsen-Anhalt. Die ersten Kraniche wurden in Kelbra bereits in den 70er Jahren entdeckt.
Mit Beginn der 90er Jahre begann die jährliche Rast. 2006 und 2008 wurden fast 40 000 Vögel gezählt, 2013 waren es 38 000. Am 7. November dieses Jahres wurden bei einer der letzten Zählung genau 31 384 Tiere festgestellt.
„Wir sind in einem Findungsprozess“
Also im Winter immer Ebbe im See? „Wir sind in einem Findungsprozess“, sagt Schimrosczyk. Deshalb habe man zum Beispiel im vergangenen Herbst einen Test gestartet und die Talsperre nicht völlig leer gefahren. Etwa drei Millionen Kubikmeter Wasser befanden sich in der Anlage. Die Auswirkungen auf das Bauwerk würden nun überprüft. Dabei gehe es um Fragen des Hochwasserschutzes und die Standsicherheit des Dammes. Natürlich spielten auch die Wasservögel eine Rolle, sagt Schimrosczyk: „Der Prozess läuft.“ Die Talsperre im Herbst nicht abzulassen, die Entscheidung könne aber der Talsperrenbetrieb nicht allein treffen, darin müssten andere Landesbehörden einbezogen werden.
Der Arbeitskreis spricht sich nun dafür aus, eine „Schutz- und Entwicklungskonzeption“ für den Stausee, die Helme und die Thyra zu entwickeln. Als Partner können die Universität Halle-Wittenberg, die Hochschule in Bernburg und die Fachhochschule Nordhausen dienen. Ein Schritt dabei könne eine Stausee-Konferenz sein, sagt Liste. Auf der sollen Politik, Verwaltung, Wissenschaft sowie die Bürger über die Entwicklung der 74 Kilometer langen Helme und ihres Einzugsgebietes beraten. (mz)
