Tag des Bieres Tag des Bieres: Wippraer Biersommelier wünscht sich mehr Vielfalt in den Gläsern

Wippra - Natürlich darf das Objekt der Begierde beim Gespräch nicht fehlen - ein „Original Wippraer Pils“. Gebraut wurde es von Wolfgang König und Norbert Gehring. Anlässlich des Tages des Bieres an diesem Montag sprach Joel Stubert mit Brauerei-Eigentümer Gehring über den Wirtschaftsfaktor Bier, das Geheimnis von Hopfen und Malz und eine Bier-Karte in Restaurants.
Herr Gehring, Sie brauen Bier und sind auch Bier-Sommelier, was ist denn für Sie ein gutes Bier?
Norbert Gehring (56): Das ist schwer zu sagen. Das ist situationsabhängig. Im Sommer trinke ich sehr gern ein gehopftes Kellerbier, im Winter mal einen guten Doppelbock oder einen Jahrgangsbock, den man in kleineren Gläsern reicht. Generell muss man aber sagen eher fragen: „Welches Bier trifft meinen Geschmack? “ Das kann bei jedem anders sein. Das lassen wir bei den Speisen zu, aber beim Bier nicht, da sind wir sehr konservativ.
Deutschland gilt als Bierland, dennoch hat man häufig das Gefühl, Einheitsbiere zu bekommen...
Genau so ist es. Das liegt daran, dass der Stellenwert des Bieres in Deutschland nicht so ist wie er eigentlich sein sollte.
Wippraer Bier-Sommelier Norbert Gehring wünscht sich Bierkarte in Restaurants
Woran machen Sie das fest?
Wenn wir auf dem deutschen Markt rund 1.300 Brauereien haben, mit 6.000 Biermarken, warum kriegen wir als Biernation in den Gaststätten keine Bierkarte gereicht?! Da denkt keiner drüber nach. Wir sind kein Wein-Land, aber bekommen überall eine Weinkarte.
Bier wird häufig als Nebenbei-Getränk wahrgenommen...
Aber wenn ich gute Gastronomie machen möchte, dann gehört es einfach dazu, dass man sich mit Bier-Spezialitäten beschäftigt. Zum Schweinebraten oder Rinderbraten reiche ich ein Doppelbock oder solche Sachen. Oder bei einer schönen Vorspeise habe ich ein leichtes, gehopftes Helles und eine Frühlingssuppe, das passt dann fantastisch. In anderen Ländern ist das teilweise schon so.
Also müssen wir mehr Bier trinken?!
Bier ist deutsches Kulturgut, das geht bis in die Germanenzeit zurück. Allerdings, das maßvolle Trinken muss berücksichtigt werden. Das ist das, was heutzutage falsch dargestellt wird. Bier trinken wird verglichen mit Oktoberfest, das ist der große Unterschied. Wenn man seinen halben Liter am Tag trinkt und den genussvoll zu sich nimmt, dann ist das kein Problem. Das ist das Entscheidende.
Bier als Erlebnis...
Richtig. Ich plädiere dafür, dass das die Gastronomie wieder verinnerlichen muss. Der Kunde muss eine gewisse Erwartungshaltung entwickeln und sich darauf freuen, welche neuen Bierstile es gibt, das macht uns die Craft-Beer-Szene vor.
Derzeit gibt es rund 20.000 Braustätten weltweit. Drei davon brauen ihr Bier noch mittels einer Transmissionsanlage. Neben Thüringen und dem Frankenland ist dies in Wippra der Fall, wo seit 1480 durchgängig gebraut wird. Das Sudhaus selbst existiert seit 1905. „Das ist das Außergewöhnliche. Es ist eine historisch sehr wertvolle Anlage“, sagt Eigentümer Norbert Gehring.
In Wippra werden 1.600 bis 1.800 Hektoliter Bier pro Jahr gebraut. Zum Vergleich: In Hasserode sind es 2,2 Millionen Hektoliter pro Jahr.
„Unsere Biere lagern im Schnitt vier bis fünf Wochen. Das Bockbier mindestens zehn Wochen, der Doppelbock ein halbes Jahr, Diese lange Reifezeiten sind entscheidend für die Verträglichkeit eines Bieres“, sagt Gehring, der in seiner Brauerei unter anderem Brau-Tageskurse oder Gourmet-Abende anbietet, in denen er sich der Biervielfalt auf der Welt widmet. (mz/js)
Was muss sich verbessern?
In Sachen Erlebnis sehe ich Reserven für die Zukunft. Wenn wir Tourismus für die Region machen wollen, dann erwartet der Tourist auch eine gepflegte Gastronomie. Das ist Fakt. Da müssen wir ansetzen. Sonst brauchen wir uns nicht wundern, wenn Touristen ausbleiben. Das ist dann auch ein Wirtschaftsfaktor. Das ist Beschäftigung, das sind Steuereinnahmen, und wenn die Gastronomie uninteressant wird, dann sterben auch unsere Strukturen aus. In den Dörfern haben wir kaum noch Gaststätten. Hier in den Orten hatten wir mal 15 Gaststätten, jetzt sind es noch zwei.
Wenn man rein wirtschaftlich denkt: Wo gibt es noch Reserven?
Bei der Rolle der Frau. Bier ist Männergetränk. Aber 50 Prozent der Gesellschaft sind Frauen. Davon sind vielleicht noch zwanzig Prozent, die sagen, sie trinken gerne mal ein Bier. Und das ist noch hochgegriffen. Also wir verschenken ein Drittel an Kunden. Und wenn man den Frauen vernünftige Biere anbieten könnte, also Leicht-Biere mit Geschmack, dann haben wir eine echte Basis.
Mittlerweile gibt es aber durchaus verschiedene Geschmacksrichtungen...
Das Problem ist, wir haben auf dem deutschen Biermarkt eine Konzentration auf die Sorte „Deutsches Pils“, das ist der Bierstil. Aber es gibt über 150 verschiedene Bierstile. Und das ist so ein bisschen die Krux, wobei sich das in den letzten Jahren deutlich verbessert hat. Mittlerweile sind sehr viele spannende Biere auf dem Markt.
Wippraer Biersommelier Norbert Gehring: „Leichte Biere sind im Trend“
Auch für Sie sind das sicherlich spannende Welten.
Ich bin seit sieben Jahren Bier-Sommelier und jährlich finden Weiterbildungen statt. Dadurch bekommt man europa- und weltweit mit, wie die Entwicklungen bei Geschmäckern aussehen und welche Tendenzen entstehen.
Was liegt denn aktuell im Trend?
Leichte Biere sind auf jeden Fall ein Trend. Dann gut gehopfte Biere, das heißt zum Beispiel mit Cascade (Aromahopfen, d. Red.). Die haben eine Zitrusnote im Hintergrund und werden auch Flavour-Biere genannt.
Müsste sich der Kunde einfach mehr informieren?
Einerseits appellieren wir an den Kunden zu sagen: Bitteschön, es gibt mehrere Geschmäcker und diese auch auszuprobieren. Die Geschmäcker kann er aber erst zuordnen, wenn er die Information dazu hat, da müssen auch die Medien besser aufklären. Was bedeuten denn 240 verschiedene Hopfensorten, was kann man damit machen? Was bedeuten 80 Bier-Hefen oder über 60 verschiedene Malzsorten, die es gibt.
Klingt nach einer wahren Wissenschaft...
Absolut. Und es geht noch weiter: Wir müssen die Glas-Kultur betrachten. Wir nehmen einen Humpen und schenken ein. Aber die Geschmackskomponenten des Bieres sind in unterschiedlichen Gläsern unterschiedlich wahrnehmbar. Wie bei Wein und Whisky. Das muss man wissen. Wenn man zum Beispiel einen Doppelbock mit einer Rest-Süße und einem ziemlich starken Körper in einer Tulpe serviert oder man nimmt einen Cognac-Schwenker genanntes Glas, dann sind das zwei verschiedene Geschmäcker. Auch die Temperatur spielt eine große Rolle. Wieso soll ein Kellerbier etwas kälter gezapft werden und ein Doppelbock etwas wärmer?!
Gelegentlich wird in Deutschland das Reinheitsgebot in Frage gestellt, behindert es die Kreativität?
Die Traditionalisten sagen: Man darf nur Malz, Hopfen, Wasser verwenden. Und damit hat man genug Kombinationsmöglichkeiten, allein wenn man sieht, wie viele Hopfen- oder Malzsorten es gibt. Da kann man Geschmacksvielfalt erzeugen. Aber wenn man Kreativität fördern möchte, gerade im Jugendbereich , dann sollte man das nicht so eng betrachten. Wenn er reinen Kakao oder Maracuja vergären will, warum denn nicht?! In anderen Ländern hat man eine Leitlinie geschaffen. In Deutschland muss dahingehend endlich Klarheit geschaffen werden, was ins gebraute Bier kommen darf oder nicht. (mz)