1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Sangerhausen
  6. >
  7. Lebensmittelpakete für 2,50 Euro: Tafel Sangerhausen packt jeden Tag hundert Kisten

Lebensmittelpakete für 2,50 Euro Tafel Sangerhausen packt jeden Tag hundert Kisten

An der Tafel in Sangerhausen starten ehrenamtliche Helfer 6 Uhr morgens in ihren unbezahlten Job. Wie man es schafft, zurückgehende Spenden aus Supermärkten auszugleichen.

Von Grit Pommer 05.04.2024, 14:31
Elke Jügler, Martin Niemann, Manuela Röhnisch, Stefanie Uhlemann und Manuela Paschke (v.l.) sortieren Lebensmittel an der Tafel in Sangerhausen.
Elke Jügler, Martin Niemann, Manuela Röhnisch, Stefanie Uhlemann und Manuela Paschke (v.l.) sortieren Lebensmittel an der Tafel in Sangerhausen. Foto: G. Pommer

Sangerhausen/MZ. - Als am Vormittag der offizielle Besuch kommt, sind die meisten Kunden schon weg. Denn der Tag an der Sangerhäuser Tafel beginnt früh. Um 6 Uhr treffen sich die ehrenamtlichen Helfer, jeden Montag bis Freitag. Dann holen sie das, was am Vortag an Lebensmittelspenden reingekommen ist, aus der kleinen Kühlzelle und stellen in Kisten das zusammen, was pro Person für 2,50 Euro mitgenommen werden kann: Brot und Brötchen, Gemüse, Obst, Wurst, Käse, Butter, Joghurt. Auch veganer Brotaufstrich ist mal dabei – je nachdem, was in den Supermärkten der Region aussortiert wurde, weil das Verfallsdatum herangerückt ist.

Jetzt um halb elf, als der Chef der Deutschen Tafeln Andreas Steppuhn, Sachsen-Anhalts Tafel-Chef Kai-Gerrit Bädje und die Bundestagsabgeordnete Katrin Budde (SPD) kommen, ist die Ausgabe schon vorbei. Zu tun gibt es trotzdem noch jede Menge.

Umschlag an der Tafel: Was am Tag reinkommt, geht am nächsten Tag raus

Die Helfer stehen nun im hinteren Bereich um einen großen Tisch und sortieren die Lebensmittel, die an diesem Tag neu reingekommen sind. Vereinzelte Stücke Obst und Gemüse, die schon verdorben sind, werden weggepackt, ansonsten alles geordnet nach Warenart in Kisten geräumt.

Tafel-Chefin Manuela Röhnisch, eine kleine, beherzte Frau mit Brille und dem Hang zum Zupacken, zeigt den Gästen die kleine Kühlzelle, in der die Lebensmittel eingelagert werden, bevor am nächsten Morgen neue Kisten daraus gepackt werden. Es ist nicht viel Platz hier drin, aber den braucht man auch nicht – das, was reinkommt, geht am nächsten Tag wieder raus. Große Vorräte kommen so nie zusammen.

Aufbackbrötchen, Honigmelonen: Warum Produzenten Lebensmittel spenden

Zumal die Supermärkte inzwischen knapper kalkulieren, nicht mehr so viel übrig haben. Trotzdem: „Das E-Center und Rewe sind sehr gute Spender, da holen wir jeden Tag was ab“, berichtet Röhnisch. Auch die Bäcker Feist, Bergmann, Hollmann und Bokrant und der Hofladen in Emseloh unterstützen die Tafel.

Dass man den Kunden immer noch ein gutes Paket bieten kann, ist auch dem Umstand zu verdanken, dass immer mehr Hersteller Überbestände aus ihrer Produktion direkt an die Tafel abgeben. Und so liegen in der Kühlzelle für den nächsten Tag Aufbackbrötchen von Aryzta und Honigmelonen und Fenchelknollen vom Kochkistenanbieter Hello Fresh, die noch knackfrisch aussehen.

Eine Rechung, bei der alle gewinnen

Für das Überlassen dieser Lebensmittel, bei denen man den regulären Markt zu optimistisch eingeschätzt hatte, bekommen die Hersteller eine Spendenquittung. Eine Rechnung, bei der alle gewinnen: Essen landet nicht im Abfall, die Tafel kann ihre Kunden versorgen und der Spender kann die Quittung bei der Steuer geltend machen.

Viele solcher Spenden aus Überproduktionsbeständen gehen zentral an den Dachverband der Tafeln, der sie dann auf die Einrichtungen aufteilt. „Im vergangenen Jahr haben wir in Sachsen-Anhalt rund 3.000 Kisten Lebensmittel verteilt“, sagt Landes-Tafelchef Bädje. Andreas Steppuhn schätzt, dass solche Firmenspenden inzwischen etwa ein Viertel des gesamten Aufkommens ausmachen.

1.550 Kunden decken sich an der Tafel Sangerhausen mit Lebensmitteln ein

An der Basis kommen sie gut an und werden gebraucht. „Wir haben aktuell rund 1.550 Kunden“, erzählt Manuela Röhnisch. Dazu kommen rund 400 Fälle im Jahr, in denen man Leute im Frauenhaus oder im Haus der Wohnhilfe mit einer Notausstattung versorgt. „Jede kleine Spende hilft uns weiter“, stellt sie fest. Das gilt auch für Bargeld, das man beispielsweise braucht, um den Sprit für die täglichen Abhol-Touren zu den Märkten und Läden zu finanzieren.

Der Mittwoch ist inzwischen der Familienhilfe vorbehalten. Sozialarbeiter holen Lebensmittel für Menschen ab, die sich nicht in der Lage sehen, selbst zur Tafel zu kommen. Ansonsten tut man alles, damit es bei der Ausgabe möglichst gerecht zugeht. Die Kundenkarten sind nach Farben sortiert und monatlich wechselnd einem festen Wochentag zugeordnet. Wenn morgens die Tür aufgeht, ziehen alle erst mal aus einem Körbchen eine Überraschungsei-Kapsel. Die Nummer auf dem Zettel im Inneren bestimmt die Reihenfolge, in der man eine der Kisten auswählen kann.

„Danke für die Arbeit, die ihr hier leistet“, sagt Steppuhn den Helfern, von denen etliche schon seit Jahren ehrenamtlich dabei sind. „Ohne euch“, sagt Deutschlands oberster Tafel-Chef, „wäre das alles gar nicht möglich.“