Stolberg Stolberg: Baron hält Ängste für unbegründet
Stolberg/MZ. - "Wald ist Emotion, und das ist gut", reagiert Dr. Clemens Ritter von Kempski auf die Befürchtungen der Bewohner des Harzstädtchens. Ihm sei an einer guten Nachbarschaft mit allen Stolbergern gelegen. Es ist ihm jedoch auch nicht entgangen, dass es Leute gibt, die alles mit Argusaugen verfolgen, was im Wald passiert oder auch nicht. Die Privatisierung nach der Wende stößt nicht überall auf Zustimmung. Kahlschlag und Profitmacherei, lautet der Vorwurf. Von Bildern mit zerfurchten Forst- und Waldwegen ist die Rede.
Selbst kann er sich nicht erinnern, einmal auf irgendwelche Probleme persönlich angesprochen worden zu sein. Er sagt aber auch: "Wer Wald hat, will davon leben." Entscheidungen müssen getroffen werden. Nicht immer sind sie für jedermann gleich nachvollziehbar.
Ein Beispiel taucht in Sichtweite auf. "Das sind Waldbilder, die jeder sieht und kennt." Aus dem Jeep, den Revierleiter Hendry Hellmund (47) durch den Forst "Rodishain" steuert, zeigt Baron Kempski nach vorn. Dort wird gerade Holz mit schwerer Technik für den Abtransport vorbereitet.
Tief sinken die breiten Reifen des Fahrzeuges ins aufgeweichte Erdreich, hinterlassen breite Spurrinnen im Harzer Buchenwald. "Das sind frische Narben, die weh tun", sagt ein Mann, der nicht als Abenteurer nach Stolberg gekommen ist, sondern als privater Waldbesitzer und promovierter Chirurg, der Narben behandeln kann. Dr. Clemens Ritter von Kempski studierte Medizin in Wien, Boston und London und absolvierte eine chirurgische Ausbildung im Hospital der Universität Kapstadt. Anschließend folgte das Studium Betriebswirtschaft.
Ulrich Manteuffel bewegt sich mit seinem Rückeschlepper durch das Unterholz. Der 42-jährige Stolberger führt einen Forstdienstleistungsbetrieb. "Wir leben vom Holzeinschlag", sagt er und beschäftigt selbst fünf Leute. Ohne schwere Technik ist da nichts zu holen. Der Einsatz von Pferden sei unbezahlbar, unwirtschaftlich, so die Forstleute. Rüdiger Nelius (45) fällt gezielt jene Bäume, die zuvor der Revierleiter mit Farbe markiert hat. Von Kahlschlag könne keine Rede sein, meint er. "Es ist doch unser aller Wald", unterstreicht Kempski. Dabei denkt der Familienvater, der mit seiner Frau Svea zwei Söhne hat, sicher auch an die Zukunft seiner Kinder. In diesem Jahr werden rund 16 000 Festmeter Holz eingeschlagen. Es wurde aber auch in den letzten zehn Jahren aufgeforstet: 26 Hektar mit Laubholz und 13 Hektar mit Nadelholz. Gepflegt wird ebenso der Jungbestand. Der umfasst rund 166 Hektar.
Große Probleme bereitete der trockene Sommer. Rund 2 000 Kubikmeter Fichtenholz sind laut Angaben des Revierleiters abgestorben. Der Borkenkäfer hat hier ganze Arbeit geleistet. Fürs Jahr 2004 werden weitere Verluste befürchtet.
Die Fahrt geht weiter. Der Jeep bewegt sich jetzt auf eine Forststraße, wo die Narben schon verheilt sind. Mensch und Natur haben hier gute Arbeit geleistet. Insgesamt wurden in den letzten Jahren 30 Kilometer Forst- und Waldwege neu geschaffen. "Der Aspekt der Wirtschaftlichkeit muss immer im Vordergrund stehen", betont Kempski.
Um gut wirtschaften zu können, müssen die Transportwege kurz und befahrbar sein, sagen die Forstfachleute. Saniert wurden in diesem Jahr auch fünf Kilometer Forstweg. "Die Rechnung müssten Sie schon haben", wendet sich der Revierleiter an seinen Arbeitgeber. Dass diese Maßnahme ihren Preis hat, nicht ganz billig ist, war dem weiteren Wortlaut zu entnehmen. Mit dem Erwerb der Waldgebiete von der Treuhand will der Unternehmer Kempski eine alte Familientradition, Forstwirtschaft auf eigenem Grund und Boden zu betreiben, fortsetzen.
1994 wurde der erste mit den Revieren "Hainfeld" und "Rodishain" und 1997 ein weiterer Betrieb mit dem Revier "Unterforst" erworben und die Jagd- und Forstgesellschaft Stolberg gegründet. Das vorgelegte Konzept zur Privatisierung scheint aufzugehen. Mit rund 2 800 Hektar Wald leitet der Baron heute einen der größten Forstbetriebe Sachsen-Anhalts, der sich in privater Hand befindet. Auf 70 Prozent der Fläche wachsen Buchen.
Wichtig sei die Nachhaltigkeit der Forstwirtschaft. Darauf lenkt der Baron immer wieder das Gespräch. Spätere Generationen sollen Stolbergs grüne Lunge in 100 Jahren genau noch so vorfinden wie die Menschen heute, steckt Waldbesitzer Kempski die professionellen Ziele in Harmonie mit Jagd und Tourismus in der Forstwirtschaft ab. Dafür hat er Fachleute eingestellt. Wie eben den Revierleiter Hendry Hellmund. "Ich habe mich beworben, und es hat geklappt", berichtet dieser. "Natürlich waren wir anfangs alle unsicher", räumt der Baron ein. Und sein Revierleiter bekennt sich: "Ich glaube an die private Forstwirtschaft." "Es war ein Glück für beide Seiten", bewertet heute der 41-jährige Unternehmer das Engagement und Fachwissen seines Revierleiters. Derzeit sind allein in der Forst- und Jagdgesellschaft Stolberg zwölf Leute in Lohn und Brot.
Über 20 Angestellte werden zudem in der Tourismusbranche beschäftigt. So kaufte beispielsweise Baron Kempski das Harzhotel "Schindelbruch" und entwickelte das Tourismuskonzept "Harzlive.de".