Nach Urnenfund in Stolberg Nach Urnenfund in Stolberg: Staatsanwalt erhebt Anklage gegen Bestatter

STOLBERG/MZ - Zweieinhalb Monaten nach dem Fund von 67 Urnen in einem Fachwerkhaus im Südharzer Ortsteil Stolberg hat die hallesche Staatsanwaltschaft jetzt Anklage erhoben. Sie wirft dem 56-jährigen Gerald K., der eine Seebestattungsfirma in Stolberg betrieb, gewerbsmäßigen Betrug in 29 Fällen vor. „Dabei ist den Hinterbliebenen ein Schaden von knapp über 20 000 Euro entstanden“, sagte Oberstaatsanwalt Andreas Schieweck am Dienstag. Der Prozess soll vor dem Schöffengericht in Sangerhausen stattfinden.
Schiffe offenbar einfach erfunden
Ein Termin steht nach Angaben von Sven-Olaf Zärtner, dem Sprecher des Sangerhäuser Amtsgerichts, noch nicht fest. Die Anklage sei dem Angeklagten aber bereits zugestellt worden. Der habe nun eine Woche Zeit, sich dazu zu äußern. Danach werde ein Termin festgesetzt. Möglicherweise könne noch vor Ostern verhandelt werden.
Der Fall mit den versteckten Urnen in Stolberg hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Die eigentlich zur Seebestattung vorgesehenen Behälter waren Mitte Dezember feinsäuberlich auf dem Fußboden aufgereiht in dem leerstehenden Haus in der Rittergasse entdeckt worden. Der 56-Jährige legte gegenüber der Staatsanwaltschaft ein Geständnis ab. Er sei nicht willens oder wirtschaftlich nicht mehr in der Lage gewesen, die Urnen ordnungsgemäß beizusetzen. Angehörigen habe er Bestattungen mit fiktiven Seekoordinaten und Schiffsbezeichnungen vorgegaukelt und das von ihnen gezahlte Geld für sich verwendet, teilte die Behörde mit.
Der Bestatter behauptete dagegen in einem Gespräch mit der MZ, in einigen Fällen selbst nicht bezahlt worden zu sein. Hatte die Gemeinde die Urnen nach dem Fund erst in einem Krematorium in Quedlinburg untergebracht, plädierte die Staatsanwaltschaft dann dafür, dass K. den Schaden wiedergutmachen könne. Deshalb händigte die Gemeinde dem mutmaßlichen Betrüger die Urnen wieder aus, was Bestatterverbände kritisierten. K. ließ dann Ende Januar 66 der 67 gefundenen Urnen in der Ostsee vor Warnemünde beisetzen. Ein Angehöriger, dem das Gebaren zu viel wurde, hatte die Asche seiner vor zweieinhalb Jahren verstorbenen Mutter zwischenzeitzeitlich zurückgefordert (die MZ berichtete).
Bis zehn Jahre Haft angedroht
Die Asche der Berlinerin soll nun Anfang kommenden Monats von einem anderen Bestattungsunternehmen der See übergeben werden. Sollte K. wegen gewerbsmäßigen Betruges verurteilt werden, drohen ihm zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft. Allerdings kann er auf einen Strafnachlass hoffen. Laut Gesetz sei das Verhalten nach der Tat bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, sagte Schieweck. Neben Reue und einem Geständnis spiele dabei auch die Wiedergutmachung des Schadens eine Rolle. Ob dem Bestatter wirklich mildernde Umstände angerechnet werden, wird vor Gericht entschieden.