Nach Suspendierung von Referatsleiterin Nach Suspendierung von Referatsleiterin: Stürzte Franke über eigenmächtiges Handeln?

Sangerhausen - Stimmen die Vorwürfe, wiegen sie schwer: Die Mitte August ausgesprochene Suspendierung von Brigitte Franke, der langjährigen Referatsleiterin für Wirtschaftsförderung im Sangerhäuser Rathaus, geht offenbar nicht nur auf einen Streit um Zuständigkeiten zwischen Franke und Oberbürgermeister Sven Strauß (SPD) zurück, wie bisher vermutet.
Der überraschende Schritt von Strauß hat nach MZ-Informationen vielmehr noch einen anderen, wesentlich ernsteren Hintergrund: Denn der finanziell klammen Stadt droht aufgrund „erheblicher eigenmächtiger Handlungen“ Frankes, wie es heißt, eine Rückforderung der Investitionsbank Sachsen-Anhalt.
Problem Solaranlage
Dabei geht es um eine Summe von etwa 250.000 Euro. Das ist nichtöffentlichen Unterlagen für die Mitglieder des städtischen Hauptausschusses zu entnehmen, die Strauß zusammengestellt hat. Die Papiere liegen der MZ vor.
Bei den eigenmächtigen Handlungen, die der 62-jährigen Referatsleiterin vorgeworfen werden, geht es um die Erschließung des sechs Fußballfelder großen Gewerbegebiets an der ehemaligen Maschinenfabrik. Das hatte die Stadt im August 2005 der NBG Grundstücksverwertung- und Verwaltungs GmbH aus Naumburg übertragen.
Die Stadt hatte für die Erschließungsarbeiten etwa acht Millionen Euro Fördermittel erhalten und an den Erschließungsträger NBG weitergereicht. Die NBG verpflichtete sich im Gegenzug, das Geld richtlinienkonform zu verwenden. „Am 24. April 2018 ließ sich Frau Franke dann ohne Genehmigung des OB und ohne dessen Kenntnis vom Geschäftsführer der NBG, Rüdiger Kürbs, bevollmächtigen, die GmbH bei Grundstücksveräußerungen in vollem Umfang rechtlich zu vertreten“, heißt es in den Papieren für den Hauptausschuss.
Rückzahlung von Fördermitteln drohte
Dies sei unter Bezugnahme auf ihre dienstliche Funktion („geschäftsansässig Markt 7a“) erfolgt. Vermutlich am 7. August 2018 habe Franke dann mit ihrer Vollmacht eine etwa 10.000 Quadratmeter große Teilfläche an eine Solarfirma verkauft. „Frau Franke ist spätestens zu diesem Zeitpunkt in ihrer dienstlichen Funktion für eine rein privatwirtschaftliche GmbH tätig geworden.“
Ein solches Vorgehen wäre nie genehmigt worden, heißt es in den Papieren. Aufgrund der vorliegenden Richtlinien dürfen in dem Gewerbegebiet bis 2023 auch keine Solaranlagen errichtet werden, will man die Förderung nicht verlieren. Die Investitionsbank habe dann am 9. April 2019 auf den Erstattungsanspruch von genau 244.913,29 Euro zuzüglich Zinsen aufmerksam gemacht.
Als Strauß am 12. April routinemäßig die Eingangspost sichtete, habe er erstmals von einer drohenden Rückforderung der Fördermittel erfahren. Franke sei aber einschließlich bis 12. August bemüht gewesen, den OB in dem Glauben zu lassen, dass die Rückforderung noch vermieden werden könne.
Regress gegen Franke?
„Zwischenzeitlich gesichtete Unterlagen lassen daran erhebliche Zweifel aufkommen“, so die Stadt. Diese weist in dem Schreiben weiter darauf hin, im Falle des Falles die Stadt auch das Geld zahlen müsste, sollte die Investitionsbank an ihren Forderungen festhalten.
Grundsätzlich bestehe zwar ein Anspruch auf Schadenersatz gegenüber der NBG. „Hier ist jedoch zu vermuten, dass sich diese dem entziehen wird, da die Stadt durch die Tätigkeit der Referatsleiterin Franke selbst die Kaufverträge abgeschlossen hat.“ Dass diese unberechtigt gehandelt habe, sei dabei kaum von Belang.
Auch die Solarfirma habe gegen keine Verträge verstoßen, so die Stadt. „Somit bleibt lediglich der Rückgriff auf die Arbeitnehmerin Brigitte Franke.“ Inwieweit ein vollständiger Schadensersatz möglich sei, könne noch nicht abschließend beurteilt werden.
Referatsleiterin räumte Fehler schon im Mai ein
Die Referatsleiterin hatten ihren Patzer in einer Mail an den Chef der Solarfirma bereits am 7. Mai dieses Jahres eingeräumt. Darin heißt es: „Mein Fehler ist, dass wir im Kaufvertrag keine Einschränkungen festgeschrieben haben. Sollte es zu der aufgezeigten Rückforderung der 250.000 Euro kommen, stehe ich in der persönlichen Verantwortung. Denn ich habe im Wissen um die Einschränkung grob fahrlässig gehandelt.“
Strauß weist in dem Papier darauf hin, dass angesichts der Schwere des Verstoßes erhebliche arbeitsrechtliche Restriktionen gegen die Referatsleiterin denkbar gewesen seien. Unter Beachtung der vielen Jahre, die sie bei der Stadt beschäftigt ist und der wenigen Monate bis zu ihrem Ruhestand, habe er jedoch das denkbar mildeste Mittel gewählt.
Gespräche über berufliche Zukunft?
Es habe sichergestellt werden sollen, dass derartige Verstöße nicht mehr vorkommen: Franke sollte deshalb das Referat nicht mehr leiten und sich bis zu ihrer Rente vorrangig um Bestandsfirmen kümmern. Die 62-Jährige habe aber angekündigt, die Entscheidung des OB ignorieren zu wollen und damit gedroht, das an die Öffentlichkeit zu bringen.
Nach einiger Bedenkzeit und einem weiteren Gespräch im Beisein des Fachbereichsleiters Jens Schuster sei dann die „unumgängliche Suspendierung“ ausgesprochen worden.
Am Donnerstag wollten sich weder Strauß noch Franke zu der Angelegenheit äußern. Strauß sagte aber, es liefen Gespräche zur weiteren beruflichen Zukunft der 62-Jährigen. Ergebnisse könnten bereits an diesem Freitag oder am Montag vorliegen. (mz)