Nach Hüpfburg-Unfall in Martinsrieth Nach Hüpfburg-Unfall in Martinsrieth: Knapp an der Katastrophe vorbei

Martinsrieth - Beim Feuerwehrfest in Martinsrieth ist man am Wochenende offenbar nur knapp an einer großen Katastrophe vorbeigeschrammt. Wie erst am Montag bekannt wurde, waren kurz bevor eine Hüpfburg mit einem dreijährigen Mädchen von einer Windböe erfasst und durch die Luft geschleudert worden war, mehrere Kinder auf dem Spielgerät. Das berichteten Augenzeugen des Vorfalls. Das Mädchen, das noch in der Hüpfburg war, wurde mitgerissen und verletzt. Mit einem Rettungshubschrauber wurde es ins Krankenhaus nach Halle gebracht. Der Dreijährigen geht es gut. Wehrleiter Jens Boogk hatte am Sonntag die Familie besucht und sich nach dem Gesundheitszustand des Kindes erkundigt.
Was war am Samstag passiert? Roy Rockmann hat die Hüpfburg fliegen sehen. 150 Meter weit. Über Autos hinweg und über die Straße. „Dass sich ein Kind darin befand, wusste ich in dem Moment nicht“, schildert der Chef des Kreisfeuerwehrverbandes Mansfeld-Südharz. „Die Feuerwehrleute haben sofort eingegriffen. Aber was will man als Mensch gegen einen Sturm ausrichten?“ Der Martinsriether Wehrleiter war noch näher dran. „Es wurde ganz plötzlich dunkel. Ich habe die dunkle Trichterwolke am Himmel gesehen und bin sofort zur Hüpfburg gerannt.“ Mehrere Kinder tobten in diesem Augenblick auf dem Spielgerät. Boogk rief sie, und holte sie von der Hüpfburg. Auch den Vater der Dreijährigen, der neben der Hüpfburg bei seinem Kind war, machte der Feuerwehrmann auf die Gefahr aufmerksam. Doch zu spät. Die Naturgewalten rissen bereits die Hüpfburg mit sich. „Wir hatten sie mit all den Zubehörteilen - Seile, Bodenanker und Sandsäcke - gesichert“, sagt der Feuerwehrmann, der noch immer fassungslos über das Geschehen ist. Andere Feuerwehrleute eilten zur Hilfe. Mit vereinten Kräften versuchten die Männer das davonfliegende Spielgerät unter Kontrolle zu bringen. Nach 150 Metern sei das endlich gelungen, schilderte der Martinsriether Feuerwehrchef die dramatischen Sekunden. Denn viel länger dauerte das Ganze nicht. Dann war der Spuk vorbei.
Das Feuerwehrfest doch weiter laufen zu lassen - mit einiger Verzögerung und gedämpfter Stimmung wie Boogk sagte - dazu habe man sich entschieden, weil die Ärzte vor Ort „schon ein kleines bisschen Entwarnung“ gaben. „Sonst hätten wir das ganze Feuerwehrfest auf der Stelle abgeblasen“, sagte Boogk.
Was die Polizei zu dem Vorfall sagt und welche technischen Vorschriften es zu Hüpfburgen gibt, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Die Polizei hatte bis Montagmorgen keine Kenntnis von dem Vorfall in Martinsrieth. Die Kriminalpolizei forscht jetzt zu den Hintergründen. „Wenn es überhaupt zu einem Ermittlungsverfahren kommt, dann höchstens in Richtung Fahrlässigkeit“, so Pressesprecher Heiko Prull gegenüber der MZ. „Im Moment gehen wir von einem Unglücksfall aus.“ Eine Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes hatte es für diesen Tag auch für den Landkreis Mansfeld-Südharz gegeben.
Von einem ähnlichen Vorfall wurde in den deutschen Medien im Mai vergangenen Jahres aus dem US-Bundesstaat New York berichtet. Auch dort hatte eine Windbö eine Hüpfburg mitgerissen. Drei Kinder spielten darauf. Zwei von ihnen zogen sich Kopf- und Gesichtsverletzungen sowie schwere Knochenbrüche zu. Die beiden verletzten Jungen waren aus mindestens fünf Meter Höhe aus der Hüpfburg geschleudert worden.
In Estland kamen erste Anfang Juli zwei Kinder ums Leben, als eine starke Windböe die Hüpfburg mit den spielenden Kindern meterhoch in die Luft schleuderte. Darüber berichtete die Berliner Zeitung am 6. Juli.
Kreisfeuerwehrchef Rockmann, selbst privat als „Sturmjäger“ unterwegs, dokumentiert solche Wetterunbilden auch für den Deutschen Wetterdienst. Seiner Meinung nach konnte mit diesem Ereignis keiner in Martinsrieth rechnen. Das sei nicht einfach nur ein Sturm gewesen, der aufzieht. „Das war eine sogenannte Funnelcloud, eine abwärtsdrehende Trichterwolke. Laien sehen darin einen Tornado. Das ist es aber erst bei Bodenkontakt.“
Die TÜV-Bestimmungen sagen ganz klar aus, wie Hüpfburgen zu betreiben sind. Berthold Tempel, er ist beim TÜV in Köln Laborleiter, sagt: Wer eine Hüpfburg verleihe, habe auch eine Aufbauanleitung mitzuliefern, in der genau zu stehen habe, wie das Spielgerät verankert werden müsse und an wie vielen Punkten. Auch die maximale sichere Windgeschwindigkeit, bis zu der ein sicherer Betrieb möglich ist, sei darin anzugegeben. Das sei von Bauart zu Bauart unterschiedlich und hänge von der Windlast des Gerätes ab. Auf jeden Fall müsse eine Aufsichtsperson bei der Hüpfburg bleiben. „Es sind uns aus dem Ausland Fälle wie der in Martinsrieth bekannt. Teilweise gingen diese Unfälle tödlich aus“, so Tempel gegenüber der MZ.
Ob der Martinsriether Wehrleiter noch mal zu einem Feuerwehrfest eine Hüpfburg ausleihen wird? „Ich bin mir nicht sicher. Jetzt, nachdem ich weiß, was da alles passieren kann?“ Im Moment sei er erst einmal froh, dass das kleine Mädchen die Sache wohl unbeschadet überstehen wird. „Als mir ihr Vater sagte, sie habe schon wieder die große Klappe, so gut gehe es ihr, war das für mich das Schönste, was ich am Wochenende gehört habe“, so Boogk. (mz)