Modellbahn-Bau Modellbahn-Bau: Perfektion im H0-Maßstab

Sangerhausen/MZ - Ein zufriedenes Lächeln huscht über das Gesicht von Roland Eberhart, als er sacht den Drehknopf am Eisenbahn-Stelltrafo betätigt. Das Signal auf der Modellbahnplatte schaltet dabei automatisch auf Grün. „Freie Fahrt“ für den langen Güterzug, der sich jetzt schnaufend in Bewegung setzt. Mit zunehmender Geschwindigkeit rattert er über Weichen und Gleise, bis das rote Schlusslicht am letzten Waggon im langen Tunnel verglimmt.
Man riecht ihn förmlich, den Rauch der Dampfloks im Bastelzimmer von Roland Eberhart. Das ist seine Welt – die Welt des leidenschaftlichen Modelleisenbahners. Sein Herz schlägt seit über 60 Jahren für die Eisenbahn im H0-Maßstab. Der heute 74-Jährige steuert auf der 16,5-mm-Spur den kompletten Ablauf in einem Bahnbetriebswerk sowie den planmäßigen Zugverkehr. Beginnend beim Anheizen der Dampfloks im dreiständigen Ringlokschuppen, über die Bekohlung und Entschlackung bis zum Wassernehmen.
49,50 Mark für eine Dampflok
Seine erste H0-Anlage bekam Klein-Roland zum 10. Geburtstag geschenkt. Seitdem fasziniert ihn die Modellbahnwelt. Noch heute existieren wahre Schätze aus dieser Zeit. Dabei präsentiert er eine Dampflok der 24er-Baureihe. Fast liebevoll öffnet er die Originalverpackung und sagt: „Diese Lok habe ich 1952 für 49,50 Mark von meinem Taschengeld gekauft.“
Wie der Blick in ein historisches Loklexikon offenbart sich die Parade der 37 Schienengiganten die fein säuberlich aufgereiht sind. Die Lokparade in Miniatur reicht von der 24er Baureihe von 1952 bis zur V118 aus dem Jahr 2013. Eine seiner Lieblingsloks ist die schwere 44er-Güterzuglok aus dem Bahnbetriebswerk Sangerhausen.
Blumenpflücken ist verboten
Auf weiteren Gleisabschnitten schickt er jetzt die Personenzüge im Takt des Fahrplanes auf die weitläufige Platte. Sie donnern im Eilzugtempo durch eine sehr detailgetreue Landschaft. Dagegen zuckeln die Pendelzüge auf der Nebenstrecke im gemütlichen Schneckentempo. „Blumenpflücken ist während der Fahrt verboten“, könnte den wenigen Mitreisenden geraten werden.
„Bei vollem Fahrbetrieb sind vier Züge gleichzeitig auf den Strecken der 3 x 2,60 m großen Anlage“, erklärt der Eisenbahner mit Herz. Damit dies alles reibungslos läuft, versorgen daumendicke Kabelstränge unter der Platte die gesamte Modellbahnwelt mit Strom.
Herausforderungen
Die herkömmlich verdrahtete Anlage gliedert er in drei Stromkreise. Sie versorgen die Hauptstrecken, die Nebenbahn sowie den Bereich des Bahnbetriebswerkes mit Fahrstrom. Ein weiterer schier unübersichtlicher Wulst an farbigen Drahtbündeln speist Strom für Signale, Relais, Weichenantriebe, Häuser- und Straßenbeleuchtungen ein. Und wenn´s dann doch mal funkt und ein Kurzschluss alles lahmlegt, dann ist es für den versierten Modellbahner stets eine Herausforderung, den Fehler zu finden. Doch bis jetzt hat er noch jede Havarie in den Griff bekommen.
In kleiner Fahrstufe rangiert er als Fahrdienstleiter mit der schnaufenden 44er-Lok über die Schienen. Behutsam rollt der kraftvolle Dampfgigant ins Gleis drei. Hier koppelt er den bereitstehenden Güterzug an. „Noch fahre ich mit der analogen Technik“, sagt er. Dabei liebäugelt er schon seit längerer Zeit mit der digitalen Steuerung. Doch das ist noch Zukunftsmusik.
„Um das Lebensgefühl der 60er bis 80er Jahre auf der Platte echt wirken zu lassen, tüftelt der Anlagenbauer bis ins filigranste Detail. Dazu werden Häuser und Bahngebäude aus jener Zeit in Szene gesetzt. Doch vor dem Zusammenbau müssen die Modellteile akribisch aus den Spritzgussformen gelöst werden. Danach werden sie mit einer Schlichtfeile behutsam entgratet und mit Spezialkleber passgenau zusammengefügt. So entstehen unter den geschickten Händen des Anlagenbauers ganze Straßenzüge, ein Aussichtsturm, das Brückenstellwerk und zwei Bahnhöfe.
Vervollständigt werden die Bauwerke durch den dreiständigen Ringlokschuppen und die technischen Anlagen des Bahnbetriebswerkes.
Bei der Gestaltung legt er viel Augenmerk auf die zahlreichen Details. So malte er eine Ferkeltaxe mit viel Ideenreichtum um. Jetzt fährt sie in den Farben und mit dem Logo der Usedomer-Bäderbahn über die Anlage. Um einen reibungslosen Fahrbetrieb zu garantieren, überwachen Kameras den Ablauf im Schattenbahnhof. Ein Blick auf den Monitor gibt ihm die Gewissheit, dass quasi unterirdisch alles planmäßig verläuft. Während die Züge auf der Hauptstrecke nur im ebenen Bereich fahren und dabei zahlreiche Tunnel passieren, windet sich die Nebenbahn über ein langgezogenes Brückenbauwerk hoch zum oberen Bahnhof. In dieser beeindruckenden Miniturwelt rollen abwechselnd 37 unterschiedliche Lokomotiven und eine große Anzahl an Güter- und Personenwagen.
Obwohl alles wie ein eingespieltes Uhrwerk schnurrt, bereitet ihm die Anlage Sorgenfalten auf der Stirn. Denn seit einiger Zeit ist die bestehende Platte voll ausgelastet, eine Erweiterung deshalb unmöglich. Dennoch gelang nach langen Überlegungen doch eine Vergrößerung. Im Hobbyzimmer sind drei Wände frei. Und so schuf er mit einer U-förmigen Anlage entlang der Zimmerwände ein weiteres Stück lebendige Modellbahn. Seit einiger Zeit preschen hier im Minutentakt der ICE 1 und sein belgischer Bruder über die langen Geraden.
Selbstständig pendeln die Züge zwischen den Kopfbahnhöfen. Dafür sorgt ein ausgeklügeltes Steuerungssystem.