Milch-Tankstelle in Riestedt Milch-Tankstelle in Riestedt: Frische Milch zum Selberzapfen

Riestedt - Milchtankstelle - die leuchtend blauen Wegweiser sind ganz neu in Riestedt. Von der Magdeburger Straße aus zeigen sie zum modernen Stallgelände der Agrargesellschaft.
Dort steht seit einer Woche der erste Milchautomat zum Selbstzapfen in der Region Sangerhausen.
„Ich hatte im vergangenen Jahr schon mal über so was nachgedacht“, sagt Torsten Wagner, Geschäftsführer der Agrargesellschaft Riestedt. „Im Freundeskreis wurde ich öfter angesprochen: ‚Hast du nicht mal Milch direkt von der Kuh?’“
Rohmilch frisch von der Kuh
Damit allerdings konnte Wagner nicht dienen. Denn der Weg der Milch war bis dato ein geschlossener Kreislauf - von der Melkanlage bis zum großen Kühlbehälter, an dem die Tankwagen der Molkerei andocken.
„Ich konnte nicht mal selbst die Milch meiner Kühe trinken“, sagt Wagner. Der Gedanke, im Riestedter Hofladen pasteurisierte Milch anzubieten, wurde aber verworfen - zu aufwändig. Stattdessen bestellte Wagner im Frühjahr einen Automaten für den Verkauf von Rohmilch.
Der ist nun seit einer Woche in Betrieb. Durch die Tür tritt der Kunde in einen kleinen Verkaufsraum. Rechts an der Wand stehen leere Ein-Liter-Flaschen in einem Regal.
Wer kein eigenes Gefäß mitbringt, kann sie für einen Euro pro Stück kaufen und das Geld in eine Kasse des Vertrauens werfen.
Der Automat selbst verströmt Kühle, die Milch muss konstant sechs Grad Celsius haben. Man füttert das Gerät mit Münzen oder Scheinen, klappt die kleine Tür auf und hält das Gefäß unter den Zapfhahn. Per Knopfdruck beginnt die Milch zu fließen - so lange, wie man möchte.
Derweil zählt die Geldanzeige rückwärts. Einen Euro kostet der Liter, gezapft werden können aber auch kleinere Einheiten.
Wichtig ist nur, die Tür offen zu halten. Denn sobald man sie schließt, kommt automatisch ein kleiner Wasserstoß aus der Milchdüse und spült die Reste des vorherigen Zapfvorgangs weg.
Milch-Tankstelle aus Sangerhausen kommt gut an
Dass der Automat direkt neben dem Kuhstall steht, hat seinen Grund. „Rohmilch darf nur direkt am Ort der Erzeugung verkauft werden“, sagt Torsten Wagner. Um sie auch nur 300 Meter weit zu transportieren, müsste man sie zuerst pasteurisieren, also auf mindestens 75 Grad erhitzen.
Die Milch für den Automaten wird aus dem großen Tank abgezweigt, der an die Melkanlage angeschlossen ist. Mehrmals am Tag, je nachdem, wie die Nachfrage ist, wird die Milchtankstelle frisch befüllt. „Am ersten Tag haben wir 20 bis 30 Liter verkauft, am zweiten waren die 75 Liter abends alle“, erzählt Torsten Wagner.
Die Mund-zu-Mund-Propaganda lief schnell. Im Gästebuch, das neben dem Automaten ausliegt, finden sich sogar Einträge aus dem Kyffhäuserkreis: „Super Idee! Wir werden bei uns Werbung machen.“
Vor der Milchtankstelle hält ein Auto, zwei ältere Herren steigen aus. Günter Langbein und Dieter Kurtze haben schon darauf gewartet, dass die Milchtankstelle in ihrem Ort eröffnet wird. Kurtze hat eine kleine Milchkanne dabei.
„Am meisten freue ich mich auf die Sahne“, sagt er und bekommt leuchtende Augen, als er sich an seine Kindertage erinnert: „Brot mit Pflaumenmus und dann die frische Sahne drauf, die sich oben auf der Milch abgesetzt hatte - das war damals für uns das Größte!“
Rohmilch zu Hause abkochen
Bei 4,2 Prozent liege aktuell der Fettgehalt der Riestedter Rohmilch, sagt Torsten Wagner. Und sie muss vor dem Verzehr abgekocht werden - dieser gesetzlich vorgeschriebene Hinweis steht am Automaten.
Rund 20.000 Euro hat die Technik gekostet. „Der große Ansturm vom Anfang wird sich legen“, sieht Wagner die Sache realistisch.
„Aber wenn wir auf lange Sicht 50 bis 60 Liter am Tag verkaufen, kann ich gut damit leben.“ Die Bilanz der ersten Woche ist ordentlich, 60 bis 70 Liter Milch wurden täglich gezapft.
Die große neue Absatzlösung in Zeiten mickriger Milchpreise kann das natürlich nicht sein. In Riestedt stehen 600 Kühe im Stall, da geht es um 18.000 Liter am Tag.
Aber so eine Milchtankstelle ist auch ein Stück Image-Arbeit. Wenn Verbraucher ein hochwertiges Lebensmittel wieder zu schätzen wissen, kann das den Bauern nur helfen.
Geschäftlich hat Torsten Wagner bereits Ende 2015 die Weichen neu gestellt und den Vertrag mit dem Molkereiverbund Deutsches Milchkontor (DMK) gekündigt.
Das DMK ist mit Milchpreisen in die Schlagzeilen geraten, die deutlich unter dem Durchschnitt liegen. Die Riestedter wechseln zu einer Privatmolkerei im Burgenlandkreis. (mz)
